Gastbeitrag von "Der Aal"
(Überschrift von mir)
Morgens, 5.50 Uhr. Der Wecker klingelt. Der Bürojob motiviert mich wenig – das Schwimmen hingegen sehr! Anders würde ich es nicht schaffen so früh aufzustehen. Also springe ich aus dem Bett, nehme meine noch etwas feuchte Schwimmhose von der Stange an der sie seit gestern versucht möglichst effektiv Feuchtigkeit an die Luft abzugeben und packe sie in die Tasche zu meinen anderen Schwimmsachen: Eine Schwimmbrille, ein kleines Handtuch, ein Pull-Buoy und die Packung Duschgel. Ab in die Bahn, einmal umsteigen, dann aussteigen, kurz gehen. Es Piepst, das Drehkreuz
dreht. Schuhe aus – Schwimmhose an. Duschen, einatmen und ab ins Wasser.
Ich zähle bis 40. Oft verzähle ich mich auch bis 40. Anschließend geht es zurück unter die Dusche, doch an diesem einem Tag habe ich etwas unter der Dusche gesehen, was ich seit 2 Schwimmerjahren nicht gesehen habe: Rechts, zirka 4 Duschköpfe weiter, grunzt und schnauft etwas. Ich wundere mich und wage zur Absicherung, dass es sich hier nicht um Bigfoot oder einen duschenden Yeti handelt, welcher mich durch meinen Chlorgeruch hoffentlich nicht als Mensch wahrnimmt und deshalb nicht in der Luft zerreißt, einen bescheidenen Blick in seine Richtung. Es handelte sich bei dem „etwas“ um einen gewöhnlichen Menschen, welcher einem Bigfoot allerdings in nichts nachsteht. Gerade sein „Fell“ auf dem Rücken war bemerkenswert.
Etwas verwundert über seine Erscheinung setzte ich meinen morgendlichen Duschvorgang entspannt fort, hinnehmend, dass es zwischendurch neben mir schnauft und flaucht. Nur dann fing Mr. Bigfoot an mich doch noch zu irritieren, sodass ich mich ernsthaft mit dem Gedanken auseinanderzusetzen ihn auf sein Verhalten anzusprechen: Er griff zu seiner Zahnpasta-Tube, drückte sich eine dekadente Zahnpasta-Wurst auf seine Zahnbürste und fing an sich entspannt seine Beißer zu polieren. Dem hat er anschließend noch eine Rasur hinzugefügt, welche er – trotz Grunzen und Schnaufen – durchaus exquisit ausgeführt hat.
Ich stand also vor der Frage, ob ich Ihn bei seiner Rasur unterbrechen und darauf ansprechen soll, dass derartige Körperpflege in den Berliner Bädern verboten ist. Ich entschied mich dagegen und habe meine Alternativmöglichkeit wahrgenommen: Die Dusche verlassen. Nachdem ich mich umgezogen hatte traf ich erneut auf den Herrn. Meine Annahme, ob es sich um einen Menschen oder Bigfoot handelt, wurde hier nochmal bestätigt. Ein Bigfoot trägt keine Kleidung, es muss sich demnach um einen Menschen handeln. Allerdings hat sein Anblick eine weitere Frage für mich eröffnet: „Hat dieser Mensch Obdach?“
Und so fuhr ich zur Arbeit, mich darüber freuend, dass – dahingestellt ob dieser Mensch obdachlos ist oder nicht – er eine warme Dusche hatte und sich ein wenig pflegen konnte. Sein Mehrgewinn ist bei weitem größer als mein zwischenzeitlicher Ekel. Und ich stellte mir die Frage: „Was würde ich machen, wenn ich obdachlos werden würde, während meine geistige Fähigkeit erhalten bleibt?“
Der Eintritt kostet der Eintritt 5,50€ - das wären 36 kleine Pfandflaschen. Dafür gibt es einen ganzen Tag Wärme und eine Dusche.
Weitere Schwimmbaderlebnisse