Zeitaufwand, Kosten und Frust- es siegt doch immer die Faszination Schwimmen gestern und heute
Recherchearbeit ist mit vielen Umwegen verbunden, kostet viel Zeit, Geld und ganz häufig rennt man dabei in Sackgassen. Ob nun online, weil jedes Archiv andere Tools nutzt, gefühlt 435 unterschiedliche Bedienungsanleitungen und man sich in jedes Mal erst einfuchsen muss. Oder offline, wenn man, manchmal auch mit langer Anreise, vor Ort im Archiv sitzt, real 40 Akten a 300 Blatt durchlesen muss, oft in Sütterlin oder unleserlicher Handschrift alles versucht zu entziffern und dann ohne Ergebnis nach Hause fährt.
Das frustriert, manchmal führt es bei mir dazu, dass ich tagelang keine Lust mehr habe und denke, ach, das bringt doch nix.
Aber dann packt mich doch immer wieder die Neugier, Ehrgeiz oder einfach ein Satz in irgendeinem Buch gelesen oder im Bus ein Satz, aufgeschnappt und ich denke über neue Rechercheansätze und Wege nach.
Meist sind es andere die emsig in ihrem Thema recherchieren oder Zeitzeugen mit denen ich zu vielen unterschiedlichen Aspekten zum großen Thema "Historische Schwimmbäder in Berlin" spreche, die mich, ohne es zu wissen, motivieren.
Die kleinen Erlebnisse, Alltagswelt rund ums schwimmen, ob nun der heutigen oder längst vergessener Zeiten, sind es, die mich faszinieren.
Manchmal treffe ich auf Menschen, die sich anschließen, die mit recherchieren und kurzfristig begeistert sind. Das bringt Enttäuschung mit sich, weil ich mich immer so freue über jeden, der Spass daran hat, historisches aufzubereiten. Ich kann aber auch verstehen, dass der Frust viele demotiviert.
Manchmal treffe ich auf Menschen, die mir eine Jahre- sogar Jahrzehntelange Erfahrung voraus haben und meine Faszination vergrößern.
Bei meiner Recherche zu Bädern in meinem Heimatbezirk traf ich supernette Nachbarn ehemaliger Schwimmbäder, wie den Herrn in Lichtenrade, bekam ich interessante Rückmeldungen in sozialen Netzwerken, fand interessante Lektüre über den Bezirk und Spuren in Archiven. So fügt sich ein Bild in dem zwar noch kleine Puzzleteile fehlen, aber man bekommt eine Ahnung vom "Badeort Tempelhof" und Leben im dichtbesiedelten Schöneberg
Im heutigen Bezirk Tempelhof Schöneberg hat baden und schwimmen eine lange Tradition
Vom Badetümpel über Riesenschwimmbecken bis hin zu schmucklosen Betonbauten
Ca. 1850-ca. 1870 Badeanstalt Tempelhof
1876- 1950
Seebad Mariendorf
(bis ca. 1920 Schlangenpfuhl Tempelhofer Feld, Neuköllner Seite)
1903-1930
Volksbad Dennewitzstraße
1930- heute
Stadtbad Schöneberg
Ca. 1914-1947
Kinderplansche Schreiberring
1931-1947
Kinderplansche Volkspark Mariendorf
1937- 1985
Fritz Werner Bad
Ca 1943-1991
Villa Bartel, später Lortzing Club
1955- heute
Sommerbad Mariendorf
1964-heute
Stadtbad Tempelhof
1967- heute
Sport und Lehrschwimmhalle Schöneberg
1970-2014
Schwimmbad Vom Guten Hirten (außer Betrieb)
1975- heute
Kombibad Mariendorf
Weitere Badestellen
Vor 1900
Kirchteich Marienfelde
Vor 1900
Röthepfuhl
vor 1900
Dorfteich Lichtenrade
ca 1931- unbekannt (vermutlich 1949/50)
Blanke Helle Planschbecken Alboinplatz
Badeanstalten im ursprünglichen Sinn- Wannen- und Brausebäder - ohne Schwimmbecken, Beispiele
1908-ca 1949
Badeanstalt Ebersstraße 9
Unbekannt
Badeanstalt "Hohenstaufenbad" Goltzstraße
1898- 1970
Badeanstalt Marienfelde, Schulgebäude
Ca 1959-1986
Badeanstalt Korso Bad
Im Jahr 1826 erschien ein Büchlein mit Schwimmgedichten von denen der Autor, Frischmuth Wellentreter, sich wünschte, dass Felix Mendelssohn Bartholdy sie vertonen möge.
Im Vorwort heißt es: "Wie kommt es, dass es so viele Trinklieder gibt, aber so wenig Schwimmlieder? Weil alle Welt trinkt, aber nicht alle Welt schwimmt"
Gewidmet waren die Gedichte General Ernst Heinrich Adolf von Pfuel. Pfuel hatte an der Spree 1817 eine Flußbadeanstalt errichtet und gilt als Erfinder des Brustschwimmens. Es war Pfuel, zuerst im Militärwesen, der die Notwendigkeit des Schwimmens massentauglich gemacht hatte.
Eduard Devrient, ein Freund Mendelssohn Batholdys, erinnert sich in Briefen an das Vergnügen des Singens beim schwimmen.¹
Somit ist klar, dass Mendelssohn Bartholdy dem Wunsch nachgekommen sein muss. Die vertonten Schwimmlieder gelten leider als verschwunden.
Hinter dem Pseudonym "Frischmuth Wellentreter" verbarg sich kein geringerer als der Pädagoge und Blindenlehrer August Johann Zeune (Biografie "Berlins Blindenvater und seine Zeit" von H. Mehlitz)
Die Erste: Badeanstalt Tempelhof
Der heutige Ortsteil Alt-Tempelhof galt Anfang und Mitte des 19. Jahrhundert als "Vergnügungsort und Sommerfrische" für die Berliner.²
So lustig, wie Devrient es beschreibt, wird es beim schwimmen nicht zugegangen sein in Tempelhofs erster Badeanstalt, die sich ab ca 1850 nur wenige 100 Meter vom damaligen Gasthaus Kreideweiß entfernt, im heutigen Francke Park, befand. Damals war Tempelhof ein Dorf mit Ackerbau, fürchteten sich die Bewohner vor dem Massenansturm der regelmäßig an Sonnt- und Feiertagen über sie hereinbrach. Man sorgte sich um Ernten, überall marodierten Betrunkene. Das Müllproblem spielte schon damals eine Rolle. Gut vorstellbar, hatte Tempelhof zu Anfang des 19. Jahrhunderts etwa 250 Einwohner und auch wenn es 50 Jahre später etwa 7000 waren, muss man sich das in der Dimension so vorstellen wie heute in Wacken.
Das "Kreideweißsche Etablissement" befand sich in der Dorfstraße 13, heute Alt Tempelhof/ Ecke Tempelhofer Damm 147. Dort fanden alle wichtigen Ereignisse statt. Wahlen, Versammlungen, Beerdigungsfeiern usw. Am Gasthaus befand sich auch eine Haltestelle des ersten Linienverkehrs (ab 1855) Berlin <->Tempelhof.
Es heißt, Bismarck soll hier zu Gast gewesen sein. Ob er in der Badeanstalt war, ist nicht überliefert.
Der Wirt war als Besitzer einer Badeanstalt in Adressbüchern angegeben.Ob es sich dabei um eine Anstalt mit Wannen- und Brausebädern handelte, wie sie später exakt an dieser Adresse bis in die 1980 er Jahre betrieben wurde oder ob es sich um die Badeanstalt mit Schwimmbetrieb im heutigen Franckepark handelt, war nicht zu belegen.Betrieben wurde die Badeanstalt mit Schwimmbetrieb 1864 von Anna Zaumsegel
4
Frühschwimmen vor 160 Jahren
Der 'Teich' heute im Francke Park
Seebad Mariendorf - Multifunktionsbad vor mehr als 140 Jahren
1876 eröffnete Adolf Lewissohn, im Alter von erst 24 Jahren, das Seebad Mariendorf am Grenzweg, heute Ullsteinstraße. Der gelernte Gürtler hatte den Beruf gewechselt, um seinen Traum von einer Badeanstalt zu verwirklichen. Immer wieder erweiterte er die Badeanstalt, zuletzt 1910. Ein Schwimmbecken mit 130 Metern Länge,hochmodern mit elektrischer Pumpe. Verschiedene Vergnügungsattraktionen, Gastronomie für jeden Geldbeutel. Sprunganlage,Sandstrand, Damen- und Herrenschwimmbecken, Nichtschwimmerbereich. Konzerte, Schwimmunterricht. Vereine und Schulen konnten kostenfrei das Bad nutzen. Anfang des 20. Jahrhunderts galt das Seebad Mariendorf "als das Größte und schönste Seebad" von Groß Berlin. Es gab Tarife für Studenten und Arbeitslose, so dass fast jeder sich den Besuch leisten konnte. 1912 fanden im Seebad Mariendorf die Ausscheidungswettkämpfe für die olympischen Sommerspiele statt.
Die Familie Lewissohn war auch außerhalb des Schwimmbetriebs im Bezirk sehr engagiert. Nach dem Tod Adolf Lewissohns übernahm seine Tochter Helene mit seiner Witwe Luise den Betrieb. Die Nazis enteigneten das Bad und der Gastwirt Paul Hilgner übernahm Nach dem Krieg wurde es vom Bezirk dessen Witwe Margarete Hilgner verpachtet. Der Badebetrieb musste 1949 eingestellt werden, die Hygienemaßnahmen waren unzureichend. 1950 übernahm Joahnna Piepenburg das Bad, liess die notwendigen Arbeiten durchführen. Trotzdem schloss das Seebad im Herbst 1950 für immer die Türen. Laut Adressbüchern der Zeit lebte Piepenburg in Neukölln und war aus einer Kohlenhänderfamilie. Helene Lewissohn, die rechtmäßige Besitzerin, hatte den Krieg überlebt, ihr Kampf um Rückübertragung war vergeblich. Sie starb verarmt 1957.
Helene Lewissohns - Der Kampf einer Frau um das Lebenswerk ihrer Familie und Gerechtigkeit
Um 1900
Um 1920
Als das Seebad Mariendorf geschlossen wurde, gab es bis 1955 kein Schwimmbad mehr im Bezirk.
Der Ort heute
1903 eröffnete das Volksbad in der Dennewitzstraße
Am heutigen Nelly Sachs Park findet man noch Spuren und Hinweise auf dieses untergegangene Schwimmbad. Der Alt Bezirk Schöneberg hat in vielen Themenbereichen ein historisches Bewußtsein gehabt und ist bis heute sehr engagiert in Geschichte und Geschichten.
Kosten
Besucherzahlen aus dem Eröffnungsjahr.
Quelle: ZLB
Download "Bäder und Badeanstalten", W. Schleyer
Im Park
Die Badeanstalt Ebersstraße, Quelle Zentrale Landesbibliothek
1914-1947 Kinderplanschbecken in der Gartenstadt Tempelhof
In der ab 1911 entstandenen Wohnsiedlung errichtete der Bezirksgartendirektor Rudolf Fischer unter Beteiligung von Bruno Möhring und Paul Jatzow das Ruder- und Planschbecken.
Um 1930
Das ehemalige Planschbecken war später ein Brunnen, der, so meine Information, vor 10 Jahren stillgelegt wurde. Nur noch ein paar Wasserfontänen unterhalb der Boelckebrücke sind in Betrieb.
Der Ort heute
Seit 1930 Stadtbad Schöneberg -Hans Rosenthal Bad
Als Zweckbau errichtet
Gebaut unter rein funktionalen Aspekten wurde am 21. Juli 1930 (Quelle ZLB Digital) das Bad zum Teil eröffnet- das heißt, nur das Schwimmbecken. Der Rest folgte einige Tage später.
Die Bauherren hatten erkannt, dass nicht Vergnügungstempel das Motto der Stunde waren, sondern die Zweckmäßigkeit solcher Einrichtungen. Nach nur etwas mehr als einem Jahr Bauzeit und trotz der schmalen Summe von 1,1 Millionen Mark schafften es die Architekten, im Budget zu bleiben.
Im dicht besiedelten Schöneberg der damaligen Zeit gab es keine Flüsse oder Seen.
So lag der Fokus darauf, dass die Berliner sich zum Einen sportlich betätigen konnten, aber der Bevölkerung, die vielfach noch keine Badezimmer in der Wohnung hatte, auch die Möglichkeit zur Hygiene zu bieten. Das Gebäude war innen und außen wenig dekorativ. Errichtet wurde es auf dem ehemaligen Dorfanger.
Das Bad war, auf mehreren Etagen gebaut, ausgestattet mit Brause – und Wannenbädern, einer medizinischen Abteilung und einem Schwimmbecken von damals 33 Metern Länge.
Damit war es zwar kleiner als zum Beispiel viele Becken in Freibädern, die oft über 100 Meter
lange Becken verfügten, aber es war auch größer als die kleinen Planschmöglichkeiten in den Badepalästen und bot die Möglichkeit zu schwimmen.
1931 -1947 Kinderplanschbecke im Volkspark Mariendorf
Bei der Planung des Volkspark Mariendorf war ein Umbau des Blümelteichs in ein "rechteckiges, angelegtes Schwimmbecken" vorgesehen. Ein Bund von Bürgern protestierte dagegen, wollte lieber für "die ältere Bevölkerung" eine Teichanlage. Der Stellenwert des Schwimmens für die Gesundheit wurde nicht gesehen. Das Kinderplanschbecken wurde wohl als Kompriss gebaut.
Der Ort ca 1940(Getty Images)
Der Ort heute
1937-1985 Fritz Werner Bad - vom Betriebsbad zum Sommerbad für alle
Zwischen 1932 und 1936 scheint das Bad gebaut worden zu sein. Auf Karten sieht man, 1937 hat das Bad bereits existiert, in einer historischen Karte vor diesem Jahr ist es noch nicht eingezeichnet.
Hans Dominik hat das Bad in seinem Buch 1938 ausführlich beschrieben.
Die Fritz Werner Werke übernahmen die Kosten für den Ausbau, stellten das Grundstück und die "Gefolgschaft" (Mitarbeiter) bauten das Bad in Eigenleistung.
Auf 7000 Quadratmeter Gelände mit allem was ein Freibad braucht.
33,3 Meter lang* und 15 Meter breit war das Schwimmbecken. 3,60 tief an einer Seite, an der anderen 0,80 cm.
Ein ideales Freibad für Schwimmer und Nichtschwimmer.
Ein Sprungbrett war vorhanden, eine einladende Liegewiese und Sanitärräume mit Duschen, überdachte Veranda zum verweilen und Speisen einnehmen.
Alle 8-14 Tage wurde das Wasser ausgewechselt, das Bad verfügte über eine damals hochmoderne Filteranlage. Ganz offensichtlich Ingenieure, die ihr Handwerk verstanden. Mit Inbetriebnahme stand es den Mitarbeitern und deren Angehörigen auch Sonntags zur Verfügung.
Das Bad konnte eine Zeit nach dem Krieg von allen genutzt werden, nach Zeitzeugenangaben gab es etwa Anfang, Mitte der 1970 er Jahre allerdings nur Zutritt mit Freikarten oder in Begleitung von Angehörigen des Betriebes.
Der Ort ca 1938
Der Ort heute
Ca 1943-1992 Vom Privatbad zum Lortzingclub
Errichtet wurde die Villa in Lichtenrade von Paul Bartel, ein Ingenieur, der eine führende Funktion in der Organisation Todt einnahm. Bartel lebte 1939, laut historischem Adressbuch, in der Beethovenstraße 1. Das Grundstück in der heutigen Lortzingstraße 16 muss sich in Sichtweite befunden haben.
Erst ab 1943 ist Bartel laut Adressbuch in der Lortzingstraße 16 wohnhaft.
Nach dem II. Weltkrieg wurde das Grundstück zunächst von der sowjetischen Armee besetzt. Kurz darauf dann von der amerikanischen. Zunächst diente es als Offiziersheim, aber das Potential für einen Jugendclub haben die Amerikaner erkannt und es für alle geöffnet.
Der Alt Bezirk Tempelhof übernahm das Bad 1953.
In Betrieb soll das ca 16 Meter X 6 Meter Schwimmbecken bis 1991 gewesen sein. 1992 wurde das Bad abgebaut.
Der Eigentümer, der Bezirk Tempelhof, war nicht bereit, die umgerechnet ca 50.000 Euro in eine Sanierung zu investieren.
Am 03.06.2018 feiert der Lortzing Club sein 70 jähriges Bestehen. Mittlerweile privat geführt, ohne Bad.
Seit 1955 Sommerbad Mariendorf "Rixe" - erster Schwimmbadbau im Bezirk nach 1945
Das Sommerbad, von vielen liebevoll "die Rixe" genannt, wurde am 30.07.1955 von Dr. Schmiljan, Gesundheitssenator, eröffnet. Nach der Zuschüttung des Seebad Mariendorf war es in Tempelhof das erste Schwimmbad.
Ein 50 Meter Schwimmbecken mit 8 Bahnen, ein riesiger Bereich für Nichtschwimmer.
Erste Planungen für das Bad gab es bereits in den 1920 er Jahren im Rahmen der Errichtung des Volkspark Mariendorf. Die Pläne, östlich vom Volkspark ein Bad zu errichten, verschwanden in der Schublade und erst Anfang der 1950 er Jahre kam es zur Ausführung.
Anfang der 1970 er Jahre wurde das Bad mit einer Traglufthalle versehen um es auch in kühleren Monaten nutzen zu können. Zeitzeugen erinnern sich, dass "es zog wie Hechtsuppe". Das Wasser war kalt, wenn ab 7 Uhr morgens die Besucher in das Bad strömten um sich noch vor der Arbeit sportlich zu betätigen.Trotz einiger Umbauten sind im Freibad noch Original Bauten erhalten.
Die großen, heute ungenutzten Umkleidekabinen zum Beispiel. In diesem Jahr öffnet das Bad laut Betreiber erst Ende Juni seine Pforten. Mehr zum Sommerbad Mariendorf
Seit 1964 Stadtbad Tempelhof "Götzbad"
Der Goldene Plan
Wir schreiben das Jahr 1959, die Deutsch Olympische Gesellschaft (DOG) hatte sich aufgemacht, den Sportanlagenbau voranzutreiben. Zerstörte Infrastruktur, Bewegungsmangel der Nachkriegsjahre, Abhilfe sollten Sportstätten bringen.
Dazu gehörte auch der Bau von Frei- und Hallenbädern.
Das Stadtbad Tempelhof war, meines Wissens, der dritte Hallenbad Neubau nach dem Krieg. Nach Reinickendorf und Wilmersdorf bekam der (damalige) Bezirk das modernste Stadtbad Berlins.
Der interessierte Besucher entdeckt schnell, was diese drei Bäder gemeinsam haben. Das Atrium.
Als Durchgang gedacht, hübsch anzusehen, sind die Atrien heute dem Besucher versperrt, im besten Fall noch gepflegt. Merkwürdig.
Laut Betreiber der Bäder wollen Menschen heute mehr als das Schwimmbecken, trotzdem werden diese schönen Teile geschlossen gehalten. Wie wäre es mit Sonnenplätzen, blühenden Pflanzen die Besucher zum verweilen einzuladen?
Das Stadtbad Tempelhof, Anfang März 1964 eröffnet, von den Tempelhofern meist "Götzbad" genannt wie die Strasse in der es steht, bot dem Schwimmwilligen etwas besonderes.Im Gegensatz zu den historisch schönen Bädern, aber eher dunklen Innenräumen, bietet das Bad viel Licht durch die große Fensterfront und das Atrium.
Die Berliner Rinne, tiefliegender Wasserspiegel, ein Markenzeichen der Zeit.
Seit Dezember 2015 ist das Stadtbad nur noch an vier Tagen öffentlich nutzbar zum Frühschwimmen. Lange wird es nicht mehr dort stehen, wo es jetzt ist. Es soll weichen, für Wohnungen und der Neubau, am Ende der Götzstraße, soll dann der Öffentlichkeit nicht mehr zugängig sein.
Seit 1967 Sport- und Lehrschwimmhalle Schöneberg "Sachsendammschwimmhalle"
Mark Spitz was here.
Im Grunde ist damit alles gesagt.
In diesem Bad sieht man am besten, wie es um Bäder in Berlin steht. Es sieht aus wie vor 50 Jahren. Mark Spitz würde sich sofort zurechtfinden..
Ein 50 Meter Becken, ein 25 Meter Becken, 10 Meter Sprungturm, Nichtschwimmerbecken, Zuschauertribüne. Gebaut für Wettkämpfe und die Öffentlichkeit hat dieses Bad alles, was man zum schwimmen braucht.
Am 08.Juli 1967, am Tag als ich drei Jahre alt wurde, war Eröffnung. Drei Monate später, am 08. Oktober 1967 schwamm Mark Spitz hier Weltrekord über 200 Meter Delphin. Davon zeugt noch heute eine Tafel im Bad. Wie von vielen Größen des Wassersports. Egal wer es behauptet und alle es abschreiben, 1978 wurden in dem Bad zwar Weltmeisterschaftswettkämpfe ausgetragen, aber Mark Spitz war nicht dabei. Er war nach den Olympischen Sommerspielen 1972 in München zurückgetreten.
Es hieß, um sich zu vermarkten. Fakt ist, dass Spitz, zu seinem Schutz, nach dem Attentat in München heimlich ausgeflogen wurde nach London.
Als Olympiastützpunkt und Landesleistungszentrum ist die Schwimmhalle hauptsächlich Schulen, Kursen und Vereinen vorbehalten. Das dürfte der Grund sein, warum das Bad für 15 Millionen Euro Teilsaniert werden.
An vier Tagen hat die Öffentlichkeit für 75 Minuten Zutritt, Samstags ein paar Stunden. Es sei denn, es sind Ferien, Vorbereitungen für die Sommersaison oder Wettkämpfe
1970-2014 Schwimmhalle Kirche Vom Guten Hirten
Das Erzbistum Berlin besitzt in der Kirche vom Guten Hirten in Marienfelde, in der Malteserstraße, ein Schwimmbad. Seit 1970 gibt es in der Klosteranlage, das außerhalb Marienfelde unbekannte Schwimmbad. Gebaut auch aus Mitteln der Lottostiftung, war das Bad in erster Linie für die an die Kirche angeschlossene Schule für (geistig behinderte) Kinder. geplant. Es stellte sich heraus, dass der Unterhalt eines Schwimmbad aus dem Schulsport allein nicht finanziert werden konnte und so gab es auch öffentlichen Schwimmbetrieb in Marienfelde.
Das Bad wurde gern angenommen, von AnwohnerInnen, Kitas und für Aqua Gymnastik Kurse. Die ehemalige Besitzerin hat das Bad 2014 verlassen. Das Bistum, das mir gegenüber angab, einen Pächter zu suchen, war Grund, dass ich BVV PolitikerInnen des Bezirks informiert hatte. Anträge, Beschluss folgten, dass die Suche unterstützt würde. Das war 2017. Es gibt einen Interessenten, der auch investieren will. Keine Antwort, keine Reaktion, weder vom Bezirk noch vom Bistum. Das Bad ist untergegangen. Zugeschüttet.
Seit 1975 Kombibad Mariendorf "Ankogelbad" - als Sportbad gebaut
Die 1970 er Jahre - Schlager, Schlaghosen und auch der Schwimmbadbau ging Schlag auf Schlag.
Fertigbauteile, quadratisch, praktisch. Beton. Sportbäder. Sport war das Gebot der Stunde. Nach den Hungerjahren und dem folgenden Wirtschaftswunder waren die Menschen dicker und bewegungsärmer geworden. Nicht nur in Berlin West, der BRD, auch in der *DDR* schien es, als sollte das Land mit Schwimmbädern überzogen werden. Heute wollen Kommunen sich diese Orte der Gesundheit nicht mehr leisten. Schwimmbäder waren schon immer ein Zuschussgeschäft. Es kommt immer darauf an, was eine Gesellschaft will. Geht es nur um das Existieren, braucht man weder Theater noch Bibliotheken oder Schwimmbäder. Will eine Gesellschaft auch lebendig sein, gehören Sport und Kultur,für alle erschwinglich und vor allem zugängig, unbedingt dazu. Während heute Stadtväter und Stadtmütter der Ansicht sind, Wellness ist das Gebot der Stunde für diejenigen, die sich das leisten können, war die Idee bis in die 1970 er Jahre eine andere. Jeder sollte schwimmen können unter dem Aspekt des Sports. Dazu brauchte es kurze Wege, ein breites Angebot. Aus diesem Breitensportangebot wuchsen Hochleistungssportler die Geld und Ansehen ins Land holten.
Die Idee hinter den Kombibädern,
die es auch in anderen Teilen der Republik schon länger gab, ganzjähriges Angebot für die Bevölkerung.Je nach Wetter eine Schwimmhalle und ein Freibad. Außen und innen jeweils ein 50 Meter Sportbecken, Sprungrube mit Ein- und Drei Meter Brett, Nichtschwimmerbecken, Gastronomiebereich, Sauna und im Außenbereich Spielangebote, Planschbecken und Liegewiese.
Anfang April 1975 wurde das Kombibad Mariendorf eröffnet. Mittlerweile ist es in die Jahre gekommen, es gab nie eine umfassende Sanierung. Die ist dem Betreiber und den unterschiedlichen Koalitionen im Senat zu teuer. Sie wird mit etwa 15 Millionen Euro veranschlagt. Stattdessen möchte man auf dem Gelände ein Multifunktionsbad errichten. Der Stand: alles wie es beim Beschluss war. Es ist ein Wunder, dass das Bad noch im Betrieb ist.
Ich habe 2017 die Wartung begleiten dürfen: Mehr als eine Schraube locker
Zukunft der Bäder in Tempelhof Schöneberg
Es wird sich vieles ändern im Bezirk. Der Untergang des Stadtbad Tempelhof in seiner jetzigen Form ist beschlossen, ebenso der Abriss des Kombibad Mariendorf. Das Sommerbad Mariendorf soll saniert werden, von einer temporären Traglufthalle ist die Rede, um den Bezirk nicht völlig trocken zu legen. Die Schwimmhalle am Sachsendamm soll saniert werden. Ob das sinnvoller ist als sein Funktionsneubau ist fraglich, aber die Tatsache einer mächtigen Lobby für das Bad wird endlose Sanierungen mit sich bringen. Bäder halten ohne ständige Sanierung nicht ewig und auch Top saniert wird ein 1960 er Jahre Bau nicht moderner und ansprechender. Für Schwimmenthusiasten wird es immer schwieriger, ein geöffnetes Bad zu finden ohne Vereinsmitgliedschaft. Ich habe deshalb, mit einigen MitstreiterInnen, den Verband der Berliner Bäderbesucher (VdBBB e.V.)gegründet. Wir setzen uns für Neubau von Funktionsbädern ein. Unserer Meinung nach sollen Erhalt und Sanierungen nur erfolgen, wenn Bäder charakteristisch sind für Stadtentwicklung und Stadtbild.
Für den Bezirk Tempelhof Schöneberg sind das die Bäder Sommerbad Mariendorf und das Stadtbad Schöneberg. Ich bin ein Fan von den alten, schrulligen Bädern in Berlin. Die Halle im Kombibad Mariendorf und das Stadtbad Tempelhof sind meine Schwimmheimat. Und doch, die Architektur und die Epochen, die sie vertreten, findet man im Stadtbild im Paracelsus Bad (erster Hallenbadbau nach 1945) und im Kombibad Spandau (behutsam saniert, 2015 wieder eröffnet)in ursprünglicherer Form. Grundsätzlich gilt: Neubau vor Abriss und frühzeitige, umfassende BürgerInneninformation. Städte wie Potsdam haben es vorgemacht.
Zur Lage der Bäder im Bezirk wird es am 23.06.2018 eine Informationsveranstaltung geben. Durchgeführt vom Größten Bäderbetrieb Europas, den Berliner Bäderbetrieben. Ort und Uhrzeit sind bisher nicht bekannt.
Ich habe bereits mit BezirkspolitikerInnen und LandespolitikerInnen Gespräche geführt zum Thema. Infomaterial ist in Vorbereitung, so dass auch die erreicht werden, die kein Internet haben. Schweigend werden wir nicht hinnehmen, dass die Öffentlichkeit aus immer mehr Bädern ausgeschlossen wird. Auch in Tempelhof Schöneberg nicht.
Quellen
¹ Ralf Wehner, Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Heft 11/ 2013
² "Die Angst der Tempelhofer vor den Pfeifen aus Berlin"
³ Verein für die Geschichte Berlins
4 Uta Maria Bräuer und Jost Lehne in "Bäderbau in Berlin"
5 Kiezreporter Thomas Moser, www.lichtenrade.com
Weitere Erklärungen
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Zefys - Zeitungsarchiv der Staatsbibliothek Berlin
ZLB - Zentrale Landesbibliothek
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Wilhelm Hensel in "Die Geschichte der Tempelhofer Dorfkirche"
Christoph Josef Cremer in "Das gewerbliche Leben in Teltow" (ZLB)
Adolf Glaßbrenner in "Ein Sonntag in Tempelhof"
Sagen von Tempelhof Schöneberg
Matthias Heisig & Walleczek, Sylvia in "Tempelhofer Einblicke"
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7 Tage, 1 Schwimmhalle- Erlebnisbericht
Ein Sommer wie er früher nie war
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Der unsichtbare Dirigent oder: was will er, der nicht mehr neue Bäderchef?
Ich hab einige Schwimmbad Typen hier mal beschrieben