Schwimmhalle Holzmarktstraße und Stadtbad Tempelhof- die ungleichen Schwestern, im Schicksal vereint

Zwei Schwimmhallen die kaum unterschiedlicher sein könnten. Eine im Osten, eine im Westen, gebaut in der geteilten Stadt*, im ständigen Wettkampf um mehr, bessere und modernere Schwimmbäder.

Nach der Teilung der Stadt rüsteten  die Regierungen der *DDR* und der BRD auf. Nicht nur im politischen Sinne, vor allem in dem, was Daseinsvorsorge bedeutet. Das betraf auch Schwimmbäder.

Im Osten entwickelte man die sogenannten Volksschwimmhallen,in fast jedem neuen Wohngebiet wurden sie mit eingeplant und fast immer auch gebaut. Im Westen wurden zunächst Stadtbäder gebaut.

 

Nun sieht es so aus, dass 30 Jahre nach dem Ende der Teilung des Landes,zwei  weitere Schwimmhallen untergehen werden. Schwimmhallen, deren Bau heute nur noch den Schwimmbadenthusiasten als bemerkenswert erscheint.

Beide Schwimmhallen sind seit Jahren kaum mehr durch die Öffentlichkeit erlebbar, so verschwanden sie fast aus der Wahrnehmung. Nur den StammbesucherInnen, die ihre Schwimmgewohnheiten umgestellt haben und  sich früh morgens zum Schwimmen aufmachen, sind sie lieb und teuer.

Neue AnwohnerInnen kommen nicht mehr, zu wenig öffentlicher Zugang, viele, die die Bäder Jahrzehnte genutzt haben, sind abgewandert in andere Bäder, haben das Schwimmen aufgegeben oder sind auf Fitnessclubs mit Pool ausgewichen.

 

Stadtbad Tempelhof

Nach der Eröffnung des Paracelsus Bads in Reinickendorf, 1960 und des Stadtbads Wilmersdorf I, 1961 war das Bad in der Götzstraße das dritte Hallenbad ähnlicher Bauweise.

Im März 1964 eröffnet, mit 25 Meter Schwimmbecken, einem Nichtschwimmerbecken und Sprunganlage. Das erste Hallenbad im (Alt) Bezirk Tempelhof gehörte zu den modernsten Schwimmbädern die es damals gab.

Damit war alles, was zum schwimmen lernen und zur Freizeitgestaltung in einem Schwimmbad nötig ist, vorhanden. Eine hohe Decke, lichtdurchflutete Innenräume durch große Fenster, Einzel- und Sammelumkleidekabinen. Räume für die BadewärterInnen, Aufenthaltsräume für die Mitarbeiterinnen, moderne Sanitäranlagen.

Ein Atrium,  Garten ähnlich angelegt, können BäderbesucherInnen nur durch geschlossene Fenster auf den Magnolienbaum blicken. Der Zugang ist seit Jahrzehnten versperrt.

Im Lauf der Jahre wurde ein Solarium eingerichtet, später Gastronomie. Beides längst Vergangenheit. In den Räumen befindet sich ein Rehazentrum.


Schwimmhalle Holzmarktstraße

Nach Typ A** der Volksschwimmhallen, die in Berlin nicht gebaut wurde, folgte Volksschwimmhalle Typ B***, heute zu Teilen noch Original zu bewundern im Baumschulenweg und dann Typ C.

Volksschwimmhallen des Typs C findet man in Berlin unter anderem auf der Fischerinsel, Anton Saefkow Platz und Sewanstraße. Schick saniert, mit öffentlicher Sauna.

Was für ein Gegensatz ist die weitestgehend ursprüngliche Schwimmhalle in Friedrichshain, ein Bezirk, einst Mekka des Schwimmsports, nun nur noch diese Wasserfläche in öffentlicher Hand.

Eröffnet (nach meinen Recherchen) im Januar 1976, 25 Meter Schwimmbecken, Nichtschwimmerbecken und einer Sauna im Keller des Gebäudes. Die Schwimmhalle war die zweite des Typ C im (Alt) Bezirk Friedrichshain. Das Bad in der Weinstraße, das vor ihr eröffnet wurde, ist vor langer Zeit untergegangen.

Die ursprünglichen Spinde in einer mintgrün ähnlichen Farbe wurden gegen modernere ausgetauscht, sind aber noch vorhanden. Sammelumkleiden wie in den meisten *DDR* Schwimmbädern, Sanitärräume. Räume für die MitarbeiterInnen.

Eine riesige Glasfront lässt das Licht in die Schwimmhalle scheinen.

Besonders faszinierend aber ist das Bad tatsächlich, wenn es draussen dunkel ist. Der Schallschutz an der Decke wirkt durch seine braune Farbe fast wie eine überdimensinoierte  Holzvertäfelung, das gemütliche, gelbliche Licht schafft eine tolle Stimmung. So wirkt das Bad wie aus einer anderen Zeit, als man sich als Schwimmfamilie verstand.

Auf dem Gelände, das so vor sich hin dörrt, befand sich die Außenfläche. Im Sommer konnte man dort spielen, auf dem Rasen sonnen. Vorbei. Eine Bank, ein Schild, ein umgefallenes Schild, wuchernde Hecken.


Schwimmbadgeheimnisse

In beiden Schwimmhallen sind in den Nebenräumen teilweise noch Originalteile erhalten und zu bestaunen.

Und, beiden Schwimmhallen haftet ein Geheimnis an.

In einem Fall ist es eine seit Jahrzehnten kolportierte Sage, im anderen eine Realität aus früheren Zeiten.

 

Noch heute erzählt man sich unter Alt Tempelhofern, dass vom ehemaligen Rittergut unterirdische Gänge vom Alten Park (auf der anderen Seite des Tempelhofer Damms) bis weit unter die Schwimmhalle führen sollen. Mehrfach untersucht, diese geheimnisvollen Gänge gibt es nicht.

Tatsache aber ist, unweit vom heutigen Stadtbad befand sich um 1860 Tempelhofs erste Badeanstalt, im heutigen Franckepark, der hinter dem Stadtbad liegt.

 

Im Keller der Schwimmhalle Holzmarktstraße dagegen findet man noch die Schatten einer Tür, die unter  ein Gebäude geführt haben soll. Rechts davon findet man weitere Hinweise auf einen früheren Zugang. Diese Zugänge könnten aber eher Einstiege gewesen sein in früher anders aufgebaute Technikvorrichtungen zur Versorgung der Schwimmhalle. Ich bin gespannt, ob sich beim Abriss dort weitere Entdeckungen machen lassen. Auf alle Fälle sieht es aus, als war dort mal ein Durchgang.

Google Maps


Das unsichtbare Herz eines Schwimmbads

So unterschiedlich die Schwimmhallen im sichtbaren Teil sind, sind auch ihre Herzen.

Was wir sehen, ist nur der kleinste Teil. Wir sehen gepflegte Schwimmbecken und Besucherräumlichkeiten, das Herz eines Schwimmbads aber schlägt unsichtbar, unten im Keller.Rohre, Schwallwasser, Elektrik, Heizung, tausend Knöpfe, Räder und Hähne.

In Tempelhof und auch in der Holzmarktstraße findet man noch faszinierende Teile aus früheren Zeiten in der Anlage im Keller.

Unter dem Stadtbad in der Götzstraße ist noch gut zu erkennen, wie das Bad früher geheizt wurde. Ein Märchen kann hiermit als solches enttarnt werden. Das von den eiskalten Bädern, von denen die 'Altvorderen' uns erzählen. Das Stadtbad war oft so voll, dass man kaum noch das Wasser sehen konnte. Der Grund: die Kohlenheizung schaffte es, das Wasser auf gut 30 Grad zu heizen. Aufwärmen im Preis inklusive. Viele hatten früher keine Badezimmer in der Wohnung, so war neben dem Schwimmsport so ein warmes Becken, besonders im Winter, eine willkommene Angelegenheit.

In Tempelhof habe ich eine erstaunlich gut erhaltene Anlage gesehen, ein neuer Filter, der mir erklärt wurde (Vielen Dank dafür). Der sorgt dafür, dass das Wasser nicht nur gefühlt, sondern ganz real klar und sauber ist. Auch wenn es bekannt ist, es gibt kaum öffentliche Orte, die so streng kontrolliert werden wie Schwimmbäder, es ist faszinierend, das live zu sehen.

Hier wurden Kohlen reingeschippt


Originalzeugnisse aus dem Stadtbad Tempelhof.  Schwimmabzeichen, Mitte ab 1969, rechts 1975 die damaligen Anforderungen. Herzlichen Dank an Sabine.


Im Keller der Holzmarktstraße befindet sich eine offensichtlich toll sanierte Sauna. Ich war völlig baff. Schade, dass sie nach der Sanierung wohl nicht mehr in Betrieb war.

Das Herz allerdings ist wirklich in einem traurigen Zustand. Die BZ hat bereits Teile abgebildet. Live zu sehen, dass die Schwimmhalle wirklich vom Netz muss, ist noch einmal etwas anderes. Von allen Seiten gestützt, klar, sicher für die BäderbesucherInnen, aber eine Sanierung wäre unverhälnismäßig.

Meine Sicht ist natürlich eine Laiensicht, aber der krasse Unterschied in der für mich sichtbaren Erhaltung der beiden Anlagen hat mich erstaunt.

Bemerkenswert die unterschiedliche Bauweise.

Während in dem 12 Jahre älteren Stadtbad Tempelhof der aufrechte Gang durch großzügige Kellerräume möglich ist, sind die Deckenhöhen in der Schwimmhalle Holzmarktstraße im Keller teilweise nur im Kriechgang oder gebückt zu durchlaufen.

So wie bei der Dokumentation der Wartung des Kombibad Mariendorf, war ich auch hier neugierig, wie alles funktioniert.

Ich könnte mir vorstellen, wenn man in Schulen oder auch für Erwachsene Führungen anbieten würde, gäbe es dafür viel Interesse. Und vielleicht würde sogar das Interesse für den Beruf des Fachangestellten für Bäderbetriebe interessanter für manche.


Quelle: Berliner Zeitung 1975

Quelle: Neue Zeit, 1976

Quelle: Zefys, 1986


"Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben" (J.W.v. Goethe)

Die Schwimmhalle Holzmarktstraße wird uns als erste der beiden Bäder verlassen. Am 30.09.2018 ist Schluss (laut Berliner Bäderbetriebe)

Sie bekommt in den Sommerferien noch einmal die Aufgabe, für die sie mal gebaut wurde. Sie wird für viele Kinder die Schwimmhalle sein, in der sie schwimmen gelernt haben werden.

Für den Neubau, der 12 Millionen Euro kosten soll, ist im Gespräch, dass dieser von einer Wohnungsbaugesellschaft übernommen werden könnte. Der kommunale Bäderbetreiber wäre dann Mieter.

 

Das Stadtbad Tempelhof soll erst abgerissen werden, wenn ein Neubau, der ebenfalls 12 Millionen Euro kosten soll,  eröffnet ist. Zeitpläne gibt es nicht, aber es war bereits die Rede von 2019. Angesichts der Verknappung der Wasserfläche durch die Schließung der Schwimmhalle in Friedrichshain, der geplanten Sanierungen der Schwimmbäder in Tiergarten,am Spreewaldplatz und der in Sanierung befindlichen Schwimmhalle in Buch, wird es im Götzbad wohl beim Frühschwimmen für BäderbesucherInnen von öffentlich zugängiger Wasserfläche bleiben. Hoffentlich! Mit einer Erweiterung der Schwimmzeiten ist eher nicht zu rechnen. Seit 2015 steht im Bad an den meisten  Sonntagen die Wasserfläche leer. In Ferien und auch mal vor der Sommersaison ist das Bad der Öffentlichkeit nicht zugängig.

 

Auf/ an  beiden Schwimmbadarealen sollen Wohnungen entstehen.

"Neue Mitte Tempelhof II"

Vielen Dank an die Berliner Bäderbetriebe für die schnelle und unkomplizierte Genehmigung. Ein besonders herzlicher Dank an die MitarbeiterInnen der beiden Schwimmbäder für die Zeit, die sie sich genommen haben, für die Erklärungen und für die spürbare Begeisterung mit der sie ihren Beruf machen.

Ps: Jetzt weiß ich, warum es auch in einem leeren Schwimmbad Glucksgeräusche gibt.


* Dieses Wettrüsten in jeder Hinsicht fand in beiden Ländern statt, hier nur der Bezug zur Stadt Berlin

** Typ A wurde in Berlin nicht gebaut

***Typ B findet man z.B. in der Schwimmhalle Baumschulenweg

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