Der oben zu lesende Inhalt stammt aus der
„Satzung über die Nutzung der Einrichtungen der Berliner Bäderbetriebe
Komplizierte Bezeichnung, einfache Rechnung.
50 Prozent der gesamten Wasserkapazitäten sollen wenigstens zur Grundversorgung der Bevölkerung bereit gestellt werden.
Diese, in der Öffentlichkeit wenig bekannte, Satzung, sollte sich jede Schwimmerin und jeder Schwimmer genauer anschauen.
Daraus ergeben sich Rechte, die in der Praxis tatsächlich in Bädern schon geleugnet wurden.
Pflücken wir das doch mal auseinander und gucken uns anschließend die Belegung einiger Bäder genauer an.
- Gesamte Wasserkapazität: Das heißt also die Hälfte der Wasserflächen, auch in Nichtschwimmerbecken, Sprungbecken, Planschbecken, Therapiebecken müssen der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen
- Wenigstens: Das Minimum sind die genannten 50 Prozent.
- Grundversorgung: Schwimmbäder zum schwimmen (lernen) bereit stellen. Der Begriff der Daseinsvorsorge ist (hier) identisch gemeint nach meiner Auffassung. Die Daseinsvorsorge meint, der Staat, hier also der Landesbetrieb, muss eine Leistung anbieten die für alle nutzbar ist.
Grundversorgung heißt auch, dass dem Grunde nach nur das Nötigste zur Verfügung stehen muss. Also im Bezug auf den Bäderbetrieb die Wasserflächen in denen man schwimmen und/ oder baden kann. Daneben die nötigen Sanitäranlagen, Umkleidetrakte und natürlich die Personen, die Wasseraufsicht/ Betriebsaufsicht und Reinigung übernehmen. Eine Grundversorgung heißt nicht, die individuellen Wünsche wie Kletterwände, Saunen, Aqua Fitness Kurse oder Technik Unterricht zu erfüllen.
Daseinsvorsorge, so hieß es übrigens seitens der derzeitigen Koalition in Berlin, soll wieder in den Fokus gestellt werden.
Kurse: Aqua Fitness, Technik Schwimmen etc.
Bisher haben die Berliner Bäderbetriebe darauf abgestellt, dass Kurse, ob Aqua Fitness oder spezielle Schwimmkurse, auch öffentliche Nutzung darstellen
und nicht nur das allgemeine Schwimmen. Selbst wenn man diese Kurse als Öffentlichkeit definieren würde, wäre eine Nutzung der gesamten Wasserkapazität durch die Öffentlichkeit nicht
erreicht.
Meine Meinung:
Die Nutzung durch eine scharf begrenzte Anzahl Nutzerinnen und Nutzer, die Ausschließlichkeit der Art der Nutzung „Teilnahme an Kurs“ hat nichts mit
„Grundversorgung zu tun. Lediglich Schwimmkurse um das Schwimmen zu erlernen stellen meiner Meinung nach eine „“Daseinsvorsorge“ dar und sollten ausnahmslos durch den kommunalen Anbieter
durchgeführt werden zu einem festgelegten Preis.
Es handelt sich nur dann um „Daseinsvorsorge“, wenn alle den gleichen Preis zahlen und die gleichen Chancen zur
Teilhabe bekommen.
Die Durchführung kann der kommunale, durch Steuern finanzierte Dienstleister in Kooperation mit, entsprechend ausgestatteten Schwimmschulen/ Vereinen durchführen. Keinesfalls jedoch dürfen Firmen quasi als Konkurrenz und für ein exklusives Klientel Wasserkapazitäten erhalten, wenn dadurch die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird oder sogar in der Inanspruchnahme eines Schwimmkurses behindert wird
Geht man nun, zugunsten dieser in Frage zu stellenden Auslegung der Begriffe „Grundversorgung“ und „Daseinsvorsorge“, davon aus, dass diese Kurse eine öffentliche Nutzung darstellen, ist in vielen Bädern dennoch eine hälftige Verteilung zwischen unentgeltlicher (Schulen und Vereine) und entgeltlicher (Öffentlichkeit) nicht erreicht.
Grün= öffentliche Nutzung
Rot= keine öffentliche Nutzung
Grau= geschlossen
Hellgrün/ Dunkelgrün= Belegung durch Kurse etc
Die Beispiele sind willkürlich gewählt. Im ersten Beispiel ist deutlich zu sehen,dass Montags und Dienstags nur jeweils 1,5 Stunden öffentliche Nutzung möglich ist.Das ist weit entfernt von 50 Prozent.
Die Begründung könnte sein, dass durch Sanierungen mehrerer Bäder die Vereine ausweichen müssen. Diese Begründung hält der Überprüfung der Realität aber
nicht stand. Während hier als „ nicht öffentliche Nutzung“ angegebener Zeiten wird Wasserkapazität an private Firmen vermietet. Diese Firmen veranstalten dann auf dieser Fläche Kurse. Das heißt
also, wer sich bei diesen Kursen einkaufen kann, der kann zu „nicht öffentlichen Nutzungszeiten“ Wasserfläche exklusiv nutzen.
Diese Art Nutzung ist durch den oben zitierten Paragrafen der Satzung abgedeckt.
Die Frage, was „längerer Zeitraum“ meint, ist zu klären. Auf alle Fälle kann es nicht sein, dass Firmen eine exklusive Nutzung über mehrere Monate zugestanden wird, wenn gleichzeitig Vereine ihren Trainingsbetrieb einschränken müssen und die Öffentlichkeit gleich komplett ausgesperrt wird. Der Größte Bäderbetrieb Europas spricht regelmäßig von knapper Wasserfläche- und die ist nicht zu knapp um zu vermieten?
Diese Vermietungen finden nicht erst seit gestern statt, scheinen allerdings immer mehr zu werden. Oder es werden immer mehr dieser Vermietungen der Öffentlichkeit bekannt.
Wie auch immer, es darf nicht sein, dass Daseinsvorsorge hier ausgelegt wird indem die allgemeine Nutzung eingeschränkt oder gleich unmöglich gemacht wird.
Ich persönlich habe Bäder erlebt, in denen "eingeschränkter Badebetrieb" hieß, dass nicht mal eine durchgehende Bahn zur Verfügung stand für zahlende Besucherinnen und Besucher der Bäder in Berlin. Ich habe erlebt, dass mir ein Mitarbeiter auf Nachfrage, ob eine Bahn für die Öffentlichkeit gezogen werden kann- ein Verein hatte die, laut Belegungsplan öffentich nutzbare Bahn belegt ohne dass das kommuniziert war- antwortete: "Seien sie froh, wenn sie 5 Quadratmeter haben, mehr steht ihnen nicht zu".
Für das dritte Beispiel geben die kommunalen Berliner Bäderbetriebe an, die Zeiten für die Öffentlichkeit erweitert zu haben. Wie auch immer, 50 Prozent für die öffentliche Nutzung ist nicht erreicht.
Zur Erinnerung: "wenigstens" 50 Prozent müssen es sein laut Satzung.
In Berlin verfügen nur zwei Bäder über Therapiebecken für Menschen mit Behinderungen. Es kann nicht sein, dass diese Becken nur wenige Stunden den Menschen, für die sie gebaut wurden, zur Verfügung stehen und der gesamte Rest der Zeit dort von Firmen belegt wird
Berücksichtigung des Ergebnisses Sportstudie 2018 und Anpassung der Satzung
Der Senat hat 2018 eine Sportstudie durchgeführt. Diese hat eindeutig im Bereich Schwimmen ergeben, dass nur der kleinste Teil der Berlinerinnen und Berliner in Vereinen schwimmen möchte. Die absolute Mehrheit von über 80 Prozent möchte den Schwimmsport individuell organisieren. Das Ergebnis dieser Sportstudie muss sich nun, 2020, endlich auch in der Wasserkapazität für die Öffentlichkeit niederschlagen.
Es ist verständlich, dass ein solcher Prozess nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist.Seit Veröffentlichung des Ergebnisses der Sportstudie sind allerdings fast eineinhalb Jahre ins Land gezogen und nichts passiert.
Es wird Zeit, dass der Aufsichtsrat und die Koalition handeln.
Es kann nicht sein, dass immer die zahlenden Schwimmerinnen und Schwimmer in Berlin zurückstecken sollen und die Vereinsbelegungen weiterhin in Hinterzimmern entschieden werden. Es muss endlich transparent werden, nach welchen Kriterien Wasserfläche zur unentgeltlichen Nutzung vergeben wird. Und es muss Transparenz her, welcher Verein wann welche Bahnen nutzt. Nur so können Berlinerinnen und Berliner sehen, ob es ein Verein ist, der Fläche nutzt oder ob eine Firma oder andere exklisive Gesellschaft steuerfinanzierte Flächen bekommt und die Bevölkerung das Nachsehen hat.
Im Frühling ist es wieder so weit.
Die Wasserfläche wird verteilt.
Der erste Schritt zur Berücksichtigung des Ergebnisses der Sportstudie muss die Verteilung der Wasserfläche gemäß der Satzung sein.
Der nächste Schritt ist dann die Anpassung der Satzung an die Realitäten in Berlin.
Nicht 50 Prozent für die Öffentlichkeit,sondern mindestens so viel Wasserkapazität, dass jede Berlinerin und jeder Berliner in jedes der vorhandenen
Schwimmbäder Zutritt hat während der Öffnungszeiten.Und natürlich müssen alle Schwimmbäder von mindestens 6 Uhr bis mindestens 23 Uhr geöffnet werden.
Ich nutze den Begriff "Verein" hier im Sinne aller Sportförderungswürdigen Organissationen (z.B. THW, DLRG etc)