Während ich in Schwimmhallen und Freibäder meist und auch gern allein gehe- Kacheln zählen kann ich am besten so- hat meine Rückkehr ins Freiwasser in Begleitung angefangen.
Inklusive guter Gespräche. Mal einfach Small Talk, so dies und das, chillig und genau richtig, wenn man leicht müdig ist nach dem Schwimm.
Mal ergaben und ergeben sich ernste Themen.
Klar, ich geh mittlerweile auch allein zu den wilden Welsen...äh..also in den See, in den Fluss und sogar ins Meer. Wusstet ihr übrigens, dass auch in deutschen Meeren einen hoch giftigen Fisch gibt? "Petermännchen"- was für ein niedlicher Name für einen gefährlichen Fisch. Petermännchens Stacheln können erhebliche Vergiftungen bewirken,Schmerzen, Schwellungen bis hin zum allergischen Schock. Und dieses Jahr scheint es eine Häufung von Stichen zu geben. Kann man mal sehen, wie mutig Freiwasserschwimmerinnen sein müssen.
Ok, das ist ein anderes Thema.
Gemeinsamen Schwimmausflüge an den See bleiben einfach noch schöner. Sie sind etwas Besonderes in meinem Schwimmerinnenleben.
Gerade auch weil es so anders ist im Freiwasser. Die Anwesenheit einer vertrauten Person gibt mir Sicherheit- und Tee und Kekse...
In der Reihe "Rasen Gespräch" werde ich in loser Abfolge einige der Gesprächsthemen aufgreifen. Weil sie spannend sind, weil sie zeigen, was die Pandemie mit uns macht, weil sie lustig sind, weil trotz Pandemie das Leben weiter geht.
Der Ort
Unter einem Baum*
Erdiger Boden, wenig Rasen.
EU Badestelle, legal
Corona dominiert die Nachrichten nicht mehr
Die Menschen scheinen sorgloser zu werden. Die Wassertemperaturen betragen um die 22 Grad. Man sitzt nicht nur noch dichter aufeinander- zum Glück sind wir die meiste Zeit im Wasser. Man steht auch im flachen Bereich dicht an dicht. Das Ausflugslokal ist voller, Masken sieht man selten. Es ist auch um 17 Uhr noch Seife und Handtuch vorhanden...
Gesprächsthema
Die Wege der Frauen*
Um uns herum Menschen, die immer näher rücken und zwei Typen, die dummes Zeug labern und fragen, was wir mit den Bojen machen. Beide bei sommerlichen Temperaturen an einer Badestelle vollständig, auch Jacke und Mütze. Bekleidet, quatschen zumeist halbnackte Fremde an der Badestelle an...
Und sie glotzen. Frauen an, die sich umziehen. Sichtbar Frauen, die eigentlich kein Problem mit sich haben, aber nun mal nicht von solchen und anderen Deppen beglotzt oder gar fotografiert werden wollen. Eine nimmt nun ein Handtuch, um sich vor Blicken zu schützen.
Warum funktioniert der Soziale Kontext hier nicht? Es ist echt voll. Als wir angesprochen werden, reagiert meine Begleitung freundlich, aber bestimmt abweisend. Es ist deutlich, dass kein Gespräch gewünscht ist. "Hahaha" das hält die Männer nicht davon ab, weiter zu labern. Da wir noch nicht fertig sind, um ins Wasser zu verschwinden, werde ich lauter, sage etwa "Die Bojen sind für die Wertsachen. Handy, Geld und so." Vor mich hin ohne die anzusehen.
Worum geht es bei Fragen wie "Und was macht ihr mit den Bojen noch?" wenn die Frage beantwortet ist? Blödbirnen. Es gibt nette Fragen, wie ein paar Wochen vorher, von einem Mann mit Kind, das ganz neugierig war, ob die Bojen schwimmen, was das für Haut (Neopren) ist usw. Es gibt lustige Anmerkungen und es gibt sexistische Andeutungen von Leuten, auf die verzichtet werden kann.
Nochmal: warum funktioniert die soziale Kontrolle nicht?
Männer, die auf der anderen Seite sitzen und schweigen.
Gruppen von Menschen unterschiedlichen Alters, denen nicht auffällt, wie diese Männer sich verhalten?
In der Gesellschaft scheint es völlig normal zu sein, dass Frauen derart belästigt werden dürfen. Warum müssen wir "ins Wasser verschwinden" um ihnen auszuweichen.
Späte Warnung
Frauen müssen ausweichen, Umwege gehen und es scheint immer noch nicht Thema zu sein, Frauen um jeden Preis zu schützen.
Erinnert man sich an die Serie der Vergewaltigungen im Juni im Grunewald und Umgebung? Es gab mehrere Opfer bevor in Medien vor dem Serienvergewaltiger gewarnt wurde. Warum so spät? Darüber redeten wir nach dem Schwimm.
Warum gab es im Grunewald nicht an jedem 10. Baum einen Zettel? Warum verteilten nicht Mitarbeiter des Ordnungsamtes, der Polizei Handzettel und sprachen Frauen an auf diese Gefahr? Stattdessen wurde die Frau, die von einem Mann vergewaltigt wurde, als sie ihrem Sport nachging, beschrieben mit "Am Abend allein...joggte..." Sie lief an einem Sommerabend um 18 Uhr. Weder dunkel noch sonst was, das mit "Abend" suggeriert werden soll. "Allein"? Sollen Frauen im Tross von, ja wie vielen denn, um alles richtig zu machen, Sport machen?
Erst als die achte Frau, wieder am helllichten Tag, Opfer sexueller Gewalt wurde, wurde der mutmaßliche Täter gefasst.
Was ist das Leben und die Unversehrtheit von Frauen wert in unserer ach so entwickelten Gesellschaft?
Ist eigentlich bekannt, dass es nach dieser Serie- mindestens- eine mutmaßliche Vergewaltigung einer Minderjährigen gab an einem Badeort in Berlin der voller Menschen war?
Ist bekannt, dass danach in Schlaatz eine Frau überfallen und vergewaltigt wurde und eine weitere in Griebnitzsee nur durch ihre Abwehr dem entgehen konnte? Gibt es dazu Aushänge?
Ja, die meisten Taten sexueller Gewalt passieren im nahen Umfeld. Davor zu warnen ist unmöglich. Geschehen Taten in der Öffentlichkeit, muss sofort gewarnt und agiert werden
Belästigung, Bedrohung, alltäglicher Sexismus
Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen oder sich öffentlich zu bestimmten Themen äußern, werden bedroht, immer auch sexistisch und es gibt kaum Strafverfolgung dieser Täter.
Eine Staatssekretärin ist regelmäßig Ziel sämtlicher sexistisch vorstellbarer Beleidigungen und in Kommentarspalten nehmen Tageszeitungen das weiter hin und Soziale (ha) Medien behaupten, das fiele unter "Meinungsfreiheit"#
Fast jede Frau, die in sozialen Medien aktiv und deutlich ihre Meinung sagt, wird mit sexistischen Äußerungen belegt. Oft wenig versteckt, entpersonalisiert Mann diese Frauen und eine Rotte anderer tritt auf den Plan, um solche Kommentare zu 'liken' und verbal zu unterstützen.
Warum schreiten Admins nicht ein in solchen, gemeldeten! Fällen nicht ein und sperren solche Leute?
§218
Frauenärztinnen müssen sich auch fast hundert Jahre nach Erscheinen der Ausführungen "Frauen in Not" von Carl Crede Hörder*** vor Gericht verantworten dafür, dass sie Frauen informieren über Abtreibungen. Im Jahr 2020.
Sprache
Ungefragte Belehrungen von Menschen, die gendergerechte Sprachversuche machen, bis hin zu Drohungen und Diskreditierungen.
Gipfel bisher:
Ein Gesetzentwurf, der im generischen Feminimum geschrieben wurde wird diskutiert auf eine Art, dass der Eindruck entsteht, wir stehen am Anfang des 20. Jahrhunderts. Resultat: das Gesetz muss umformuliert werden und, das wirklich Schlimme: keine Ministerin tritt zurück aus Protest.
Dass Protest funktionieren kann, ist sichtbar an der Reaktion, sofortiger Rückzug aus einem Amt, einer führenden Politikerin, auf den sexistischen Dreck mit dem ein Mann eine Frau in einem politischen Amt beworfen hat.
Orte
Und was hat das alles mit Schwimmen und/ oder Bädern zu tun?
Überall. Sexismus ist überall.
Da ist das unwohle Gefühl am See, in einer Bucht allein, sich umzuziehen. Warum sprechen Männer mich vom Weg aus auf meinen Schutz an? Hau ab ey. Ist nicht lustig.
Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich in Schwimmbädern sexistisch beleidgt wurde. Das reicht von "F***, verpiss dich" über Äußerungen über körperliche Attribute (auch von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen) bis hin zu Grapschattacken, die immer als 'Versehen' verkauft werden, egal wie oft sie passieren in einem Schwimm.
Männer können sicher sein, der Unterschied zwischen einer versehentliche Berührung und einer absichtlichen wird von Frauen wahrgenommen!
Es gibt männliche Mitarbeiter, die reagieren sofort. Leider nicht die alle.
Beschwerden an den Berliner Bäderbetreiber wurden schon abgewimmelt mit "kommt bei uns nicht vor". Ernsthaft. Selbst ein Exhibitionist wurde geleugnet.
Mir, der Frau, wird nicht geglaubt. Ich rede nicht von Vorkommnissen von anno Tobak, da hat sich kaum eine Frau getraut, sich explizit über sexistische Vorkommnisse zu beschweren. Ich rede von den letzten Jahren, also einer aufgeklärten Zeit. Einer Zeit, in der Mißbrauch (was für ein sch** Wort für sexuelle Gewalt) ganz langsam ein Thema auch im Sport wird.
Ich rede vom letzten Jahr, in dem ich Monate brauchte, viel Energie und Mails, Durchhaltevermögen, um wenigstens ein Gespräch zu bekommen zu etwas, das real passiert war. Der VertrauensMANN versuchte mehrfach, meine Beschwerde abzuwimmeln. Die Badleitung, ein Mann, tat, als hätte er meine Mails nicht erhalten usw.
Resultat: Die verantwortliche Badleitung unterstellte mir" negative Berichte über das Bad", der Mitarbeiter entschuldigte sich nur auf meine mehrfachen Einlenkversuche und der Bäderbesucher macht weiter wie vorher.
Was für eine besch** Kultur des Schweigens, Leugnens immer noch betrieben wird, ist überall sichtbar.
Frauen weichen aus, gehen Umwege, sind auf dem Irrweg in dem sie meinen, besser schweigen, sonst wird es noch schlimmer. Fehlende Solidarität.
*Der Themen Titel ist angelehnt an den Titel der feministischen, kommunistischen Zeitschrift "Der Weg der Frau" deren Chefredakteurin Marianne Gundermann war.
Nun bin ich weit weg davon, eine Kommunistin zu sein, ich finde die Aktionen und Artikel von vor fast 100 Jahren
**Foto am einem anderen Tag am frühen Morgen entstanden
Rasen Gespräche
Teil 1 Thema "Abstand"
Teil 2 Thema "Verabredungsjunkies"
Teil 4 Thema "Die Ausrüstung"Teil 5 Thema "Das Schwimmen der anderen"
Schwimmen im See
Was ich so mache mit der Zeit, die ich nicht schwimmen kann
6 Monate: Geschwommen um zu bleiben
Wie im Freibad, nur ganz anders
Schwimmen in der Stadt
7 Tage, 1 Schwimmhalle- Erlebnisbericht
Ein Sommer wie er früher nie war
Was kann Berlin aus der Corona Krise lernen?
Der unsichtbare Dirigent oder: was will er, der nicht mehr neue Bäderchef?