Stillstand
Funkstille
Standby
Flurfunk
Die Hoffnungen, die ich in der Vorschau auf das nun vergangene Jahr hatte, haben sich komplett zerschlagen. Keine hat sich erfüllt im Bezug auf die Berliner Bäderbetriebe (BBB), ihres Zeichens der Größte Bäderbetrieb Europas. Oder doch. Eine. Es gibt jetzt Online Tickets.
Verantwortlich ist nicht die furchtbare Pandemie, die uns alle quält mit den Einschränkungen. Es hat sich einfach nichts verändert.
"Oh Mensch, hilf dir selbst"
Besser passt nichts auf dieses Jahr, als dieses Zitat von L. v. Beethoven. Ein weiteres Jahr, in dem sich weder die Kommunikation verbessert hat, noch irgendwelche Pläne des, schon lang nicht mehr neuen, Bäderchef der Bäder nutzenden Öffentlichkeit mitgeteilt wurden.
Die Satzung wird weiter nicht eingehalten in dem Punkt, dass 50% der "gesamten" Wasserfläche der Nutzung durch zahlende Bäderbesucher*innen zusteht.
Gebessert haben sich Öffnungszeiten und Nutzbarkeit nicht für den allergrößten Teil der Öffentlichkeit, die Bäder individuell nutzen möchte.
Ich habe die Konsequenzen daraus gezogen. Zunächst freiwillig. Ich bin zurück gegangen ins Freiwasser. Dort hin, wo mein Schwimmerinnenleben begann.
Dann unfreiwillig:
Kein Besuch eines Berliner Sommerbads in diesem Jahr, das erste Mal seit vielen Jahrzehnten. Zu teuer.
Stillstand
Ich muss niemandem mehr erklären, warum, ab 14. März sämtliche Bäder in Berlin geschlossen wurden.
Moment, sämtliche? Nein, es gab kleine Ausnahmen die nicht kommuniziert und erst auf Nachfragen bekannt wurden.
Ich selbst hatte den "Shutdown" quasi gefordert.
Hätte ich auch nur geahnt, dass das ausschließlich Stillstand bedeutet statt die Chancen darin zu nutzen, wer weiß, ob ich das so klar geschrieben hätte.
Alles bleibt wie es ist
An Pandemie Bedingungen angepasste, theoretische Nutzungsregeln, aber wirkliche Verbesserungen? Fehlanzeige.
Klar ist es toll, wenn nun alle Bäder endlich geleinte Bahnen haben. Diese müssen eingeteilt werden (Fast, slow etc). Und dann kontrolliert. Das dauert, fügt sich aber, das konnte ich in vielen anderen Kommunen und Ländern erleben. Doppelbahnen, in denen quer geschwommen und an der Wand rumgestanden wird, in denen sich NIchtschwimmer*innen und springende Leute befinden, das sind keine "Schwimmbahnen" und auch kein Vergnügen für die, die baden statt schwimmen wollen, wenn Schwimmende an ihnen vorbei wollen.
Vorgezogene Wartungen, Reparaturen? Unsichtbar.
Beschäftigte in Kurzarbeit, bei 95% Gehalt, oft zu Hause statt zum Beispiel als Helfer*innen in Berliner Behörden und Verwaltungen.
Als im Herbst die Schwimmhallen öffneten, sah man, mehr als das Nötigste war nicht passiert. Sehr bedauerlich.
Das Auftreten im Abgeordnetenhaus finde ich bemerkenswert. Hier
und hier nachzulesen.
Abstand von Neuerungen
Funkstille
Ein paar Pressemitteilungen, Stellenanzeigen, ein Gruß zu den Feiertagen, das ist alles seit Monaten. Wirklich schlimm aber sind patzige Antworten auf Facebook und auf E Mails, das entsetzt mich immer wieder
Ich würde gern etwas positives dazu schreiben, eine Antwort (Zitat) "Sie können doch froh sein, dass Sie schwimmen können und das sogar..." Zitat Ende) auf den Vorschlag von einer/ einem Bäderbesucher*in, ob man die Freibäder länger geöffnet lassen kann, ist wirklich unverschämt. Leider kein Einzelfall.
Was denken Beschäftigte eines Landesbetriebs, wenn sie schreiben, dass man "sogar bis (Datum)" schwimmen kann? Das Betreiben von Bädern ist Existenzberechtigung der BBB und damit Lohn und
Brot für diese Mitarbeiter*in. Wir zahlen viel Geld um schwimmen zu gehen. Der Eintritt ist dabei ein Beitrag, Subventionen zu senken. Subventionen, die wir alle zahlen, in zweistelliger
Millionenhöhe, finanziert von allen, auch denen, die Bäder gar nicht nutzen.
Wie es weiter geht für diejenigen, die bereits Jahreskarten bezahlt hatten. Kurse gebucht etc. wurde wochenlang nicht kommuniziert und auch dann musste man sich alles selbst zusammen suchen.
Ich nehme an, dass die gesamte Kommunikationsabteilung in anderen Bereichen eingesetzt ist in der Verwaltung. Ich sag es mal in dem Ton, der mich seitens der BBB immer wieder fassungslos macht: vermutlich beim Betrieb der geschlossenen Bäder...
Zurück zur Sache
Ich finde es traurig, die immer selben Anmerkungen in jedem Jahresrückblick machen zu müssen. Die BBB kommen einfach nicht im Hier und Jetzt an.
Allerdings sind auch die Ankündigungen aus der Politik bis heute nicht umgesetzt. Kein Forum für Bäderbesuchende, keine Beteiligung an Entscheidungen, der Unternehmensvertrag ist auch nirgends veröffentlicht, inexistent?
Es ist müßig, die immer gleichen Aussagen machen zu müssen, deshalb fasse ich mich an dieser Stelle kurz, auch wenn ich der Meinung bin, dass Kommunikation einer der Schlüssel ist zur Bindung von Kund*innen, Gewinnung von beuen Schwimm- und Badewilligen und Sichtbarkeit in der Stadt.
Geschlossene Bäder in dieser Stadt werden unsichtbar. War es bisher so, dass bei Schließungen das einzelne Bad einfach nicht mehr vorkam in der Wahrnehmung, ist es dieses Jahr die gesamte Bäderlandschaft dieser Stadt. Eine so wunderbare Bäderlandschaft, einmalig in dieser Art in Europa
Abstand von der Existenz der Bäder in Berlin.
Es ist absurd, dass ständig Gründe gefunden werden, warum was nicht geht und Beispiele, dass es "woanders" noch schlimmer ist.
Nein, "woanders" gibt es nicht so grotesk viel Geld für so wenig Bürger*innennähe.
Privilegien für wenige
Die Koalition hatte einen Paradigmenwechsel angekündigt, der wurde im Sommer sichtbar.
Der Paradigmenwechsel fand temporär statt. Anders als ich ihn verstanden hatte.
Die Berliner Bäderbetriebe riefen einen Einheitspreis auf. 3,80 Euro für ein Zeitfenster und das für Minderleistung. Weniger Zeit im Bad, Glücksspiel, ob und wann man ins Wasser kam und Duschen und Umkleiden gesperrt.(bis auf zunächst eine Ausnahme, die übrigens bis heute nicht sachlich begründet werden kann).
Den Durchschnittspreis kann hier ausgerechnet werden. Klar wird, dass nur Vollzahler*innen profitierten.
Der Online Verkauf, nur mit Kreditkarte oder Paypal bezahlbar, sogar Jahreskarteninhaber*innen, die im Voraus bereits gezahlt haben, wurden zur Kasse gebeten. Korrigiert wurde lediglich in der Form, dass eine weitere Zahlmethode nach einiger Zeit dazu kam.
Inhaber*innen der Bädercard konnten diese dann auch nutzen, dafür musste sogar für Kinder unter 5 bezahlt werden zeitweise.Btw, eine Ausschreibung hab ich dazu bis heute nicht gefunden. Hinweise nehm ich gern zur Kenntnis.
Natürlich musste eine Lösung gefunden werden.In anderen Kommunen gelang das Service orientiert und der Minderleistung angepasst. Ich habe in vielen Freibädern zwischen 1- 2 Euro gezahlt. In anderen Kommunen fand man Lösungen für die, die keine Online Buchung vornehmen können oder wollen. In Potsdam zum Beispiel konnte man am Bahnhof im Tourismusbüro ein Ticket kaufen.
Die Tarifstruktur war ausgehebelt und die Politik schwieg dazu.
Des einen Leid, des anderen Freud
Überall war zu lesen, wie schön es doch jetzt sei in Berliner Bädern "schwimmen zu können im Sommer".
Allein das ist doch verrückt. Warum sollte man im(normalen) Sommer nicht schwimmen können, wenn man dafür Regeln aufstellt.
Selbst Menschen, denen ich durchaus den Blick über den Tellerrand hinaus zutraue, kamen gar nicht auf die Idee, diese Art Privileg zu hinterfragen. Auf wessen Kosten war es denn so schön leer? Tausende, die ausgesperrt waren. Und nicht zurück gekommen sind zum größten Teil. Und auch das schert in dieser Stadt offensichtlich niemanden. Funkstille.
Vereine, Schulen, Schulen, Vereine. Was aus denen geworden ist, die sich Bäder nicht leisten konnten, die nicht online zahlen können oder wollen, die nicht mit den Flossen scharrend die limitierten Tickets ergattern konnten. Sie alle sind einfach vergessen worden.
Abstand von der Idee "Bäder für alle"
Und nein, ich habe weder was gegen Vereine noch gegen Schulschwimmen. Im Gegenteil.
Ich frage mich allerdings, warum Sportpolitik diejenigen, die den absolut größten Teil der Bädernutzer*innen ausmachen, also die Öffentlichkeit mit immerhin über 80 Prozent der Bäderbesuchenden, nicht auch entsprechend auf dem Schirm hat. Eigentlich müsste doch gerade Sportpolitik dafür sorgen, dass dieser absolute Mehrheit der Bäderbesucherinnen und Bäderbesucher, immerhin die einzigen, die zahlen und damit die Subventionen zumindest etwas senken, Angebote gemacht werden, mindestens täglich von 6- 23 Uhr, mindestens 50 % der gesamten Wasserfläche. Warum Sportpolitik nicht quasi täglich damit beschäftigt ist, diese Menschen in Bädern zu halten, werde ich wohl nie verstehen. Sportpolitik muss sich jetzt wenigstens mit allen Kräften darum bemühen, Menschen, die sie im Sommer ausgesperrt haben, in die Bäder zurück zu holen. Ist denn nicht klar, was dieser Verlust in Zukunft bedeutet?
Das müsste jedem Verein einleuchten, allen Sportpolitiker*innen. Jeder Verlust dieser Stammbesucher*innen führt zu weniger Einnahmen und weniger Einnahmen dann zu Schließungen. Für nur rund 6 % der Bädernutzer*innen und die Schüler und Schülerinnen kann man nicht 36 Hallenbäder erhalten.
Im Herbst wurde die Tarifstruktur wieder in Kraft gesetzt. Bis heute ist mir nicht klar, auf welcher Aufsichtsratssitzung deren Aussetzung überhaupt genehmigt wurde.
Standby
Trotz vieler Monate Vorlauf, über zwei Monate geschlossener Schwimmhallen vor der Sommersaison, die Hallensaison begann holprig, nicht gleichzeitig und der Tenor war im August: wir verlängern die Sommersaison in einigen Sommerbädern. Bei 30 Grad. Im August. Nennt man es in Berlin "Verlängerung der Saison", wenn Freibäder über den 30.08. hinaus öffnen. Kann man so machen, ist aber peinlich. Die Zeiten, in denen ich mich regelrecht geschämt habe für diese Provinzpossen ist allerdings lang vorbei.
Alles ist wie immer, mit dem Unterschied, dass Unterschiede in der Belegung gemacht werden. Einzelbahnen für Vereine mit weniger Belegung (auch in der Umrechnung auf) Doppelbahnen für die Öffentlichkeit mit viel höherer Belegung.Undurchsichtige offline Kartenkontingente. Am Ende dann bis zu 28 Menschen auf einer Doppelbahn* und der interessanten Idee, die überzähligen könnten ja ins Sprungbecken gehen und dort schwimmen...
Mittlerweile lach ich drüber, hier hab ich aufgeschrieben, wie es sich mit 24 plus X Leuten auf der Fläche 'schwimmt'.
Natürlich gab es Zeiten in Bädern in denen man auch wirklich schwimmen konnte.
Ich finde es nach wie vor erstaunlich, dass man in Berlin meint, eine 50 Meter Doppelbahn kann man in Mariendorf mit 28 Personen belegen und im Kombibad eines anderen Bezirks sind die gleichen 50 Meter Doppelbahn mit 18 Personen voll ausgelastet.
Schlimm fand ich die Schlangen vor Beginn der Zeitfenster. Trotz begrenzter Personenzahl waren Foyers oft wirklich voll. Ich bin da noch unentschlossen, wer dafür verantwortlich ist. Einerseits müssen sich Menschen an Regeln halten, machen sie das nicht, ist die Person verantwortlich, die verstösst. Andererseits, wenn nur Mundpropaganda sagt, es dürfen X Personen im Raum sein und kein Schild darauf hinweist, wer will es verurteilen, wenn bei Regen oder auch aus Angst, keine Karte mehr zu ergattern, Leute aufeinander drängen.
DAS war eines der größten Probleme: Die BBB weigerten sich, klare Zahlen zu nennen. Ob nun online oder vor Ort. "Wir verkaufen X Tickets offline" und "Kein Ticket/ nur noch Y Tickets vorhanden" würde helfen. Stattdessen war es ein va banque Spiel, mal mehr, mal weniger offline Verkäufe.
Abstand nehmen von der Idee schwimmen zu wollen
Die Hallensaison war kurz. Seit dem 01. November sind Schwimmhallen geschlossen. Nur nicht für das Schulschwimmen, das übrigens ein Garant war, dass Bäder in Betrieb blieben. Seit der nun letzten Verschärfung der Beschränkungen sind Bäder auch für Schulen geschlossen.
Kaderathlet*innen dürfen noch ins Schwimmbad.
Was mir wirklich gut gefiel: bei dieser zweiten Schließung wurden die Bäderbesucher*innen sofort und ohne endlose Ziererei entschädigt.
Flurfunk
Ich mache mir nichts (mehr) vor. Die Schwimmhallensaison 2020/21 ist zu Ende.
Die Schwimmhallen werden vor Mitte Februar nicht öffnen 'dürfen'.
Und da schimmert dann doch ein wenig Hoffnung wieder durch für mich.
Berlin sollte offiziell die Hallenbadsaison beenden, am besten sofort und die Sommerbäder vorbereiten. Spätestens ab Februar sollte es möglich sein, sämtliche Edelstahlaußenbecken* zu öffnen und dann mit dem 01.April mit allen Sommerbädern an den Start gehen.
Ich hör gerade von hinten jemanden rufen: "Wach auf, du träumst."
Abstand von der Realität
Ich beende jeden Rückblick mit etwas Positiven: mein persönliches Schwimmjahr ging erst am 30.12.2020 zu Ende. Winterschwimmen im Eis belegten See.
Und mein Schwimmjahr 2021 wird auch mit Freiwasser wieder beginnen.
Ich wünsche allen Schwimmerinnen und Schwimmern Happy Swim Year
*Von Edelstahlbecken wird ja behauptet, sie seien besser gegen Frost geschützt und wartungsärmer. Also, ran an die Polierpaste.
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Rasen Gespräche
Teil 1 Thema "Abstand"
Teil 2 Thema "Verabredungsjunkies"
Teil 3 Thema "Die Wege der Frauen"
Teil 4 Thema "Die Ausrüstung"
Teil 5 Thema "Das Schwimmen der Anderen"
Schwimmen im See
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6 Monate: Geschwommen um zu bleiben
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Schwimmen in der Stadt
7 Tage, 1 Schwimmhalle- Erlebnisbericht
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Ich hab einige Schwimmbad Typen hier mal beschriebe