Sehnsucht nach dem Frühling
"O wie ist es kalt geworden
und so traurig, öd' und leer!
Rauhe Winde wehn von Norden,
und die Sonne scheint nicht mehr.
Auf die Berge möcht' ich fliegen,
möchte sehn ein grünes Tal,
möcht' in Gras und Blumen liegen
und mich freun am Sonnenstrahl.
Möchte hören die Schalmeien
und der Herden Glockenklang,
möchte freuen mich im Freien
an der Vögel süßem Sang.
Schöner Frühling, komm doch wieder,
lieber Frühling, komm doch bald,
bring uns Blumen, Laub und Lieder,
schmücke wieder Feld und Wald!" (H. H.v. Fallersleben)
Vier Tage nach Saisonbeginn mit 16 Grad, Sonne und rund 4.5 Grad Wasser der zweite Schwimm des Jahres.
Vom Frühling zurück zum Winter
Der Unterschied konnte kaum größer sein und auch wenn es Menschen gibt, die ohne Neo, den gesamten Winter durch baden, dippen und schwimmen, für mich war der Schwimm vier Tage nach Eröffnung der Saison eine Grenzerfahrung.
Bei 4 Grad Luft und 4 Grad Wasser hatte ich den eisigen, recht heftigen Wind unterschätzt. Oder, nein, ich weiss, dass der Wind mein größtes Problem ist beim Freiwasserschwimmen. Kaltes Wasser, je nach Konstitution ist zu ertragen, kalte Temperaturen beim umziehen, besonders nach dem Schwimmen, unter dem Umhang und mit Thermowäsche, Skihose, Schneestiefeln, wärmendem Tee danach, recht gut zu kompensieren. Obwohl ich bei 15 Grad Wasser und Außentemperaturen von 11 Grad bereits die Erfahrung gemacht hatte, was kalter, fieser Wind macht, habe ich nicht damit gerechnet, dass es mich fast von den Füßen kippt.
Frierend in den Neoprenanzug
Nachdem ich schon fast 45 Minuten am S Bahn Steig gefroren hatte, "unregelmäßiger Zugverkehr" statt zu sagen, dass vier Bahnen ausfallen, war das Anziehen des Neoprenanzugs eine mühselige Sache.
Ich bummel beim umziehen ganz gerne, meine Begleitung auch, wir quatschen uns da regelrecht warm. Das ist unsere Art, uns mental auf das kalte Freiwasser einzugrooven. Wenn uns jemand hört, könnte man denken, wir werden gezwungen, im kalten Wasser zu schwimmen. "Kann meine Mama mal herkommen" "Wo ist die Heizung" "Wer hat die Sonne abbestellt" "Ich mach das nur dir zuliebe"....
Fabulieren, dass wir ja einfach nur die Anzüge anziehen könnten, tolle Bilder machen, kurz im Wasser und dann in den Sozialen Netzwerken posten. Nur einmal war es dann wirklich fast so weit, dass wir ernsthaft darüber geredet haben, ob wir es lassen. Beim letzten Schwimm des Jahres, mit zwar dünnen, aber sich bewegenden, schneidenden Eisplatten auf dem See, war die Aussicht auf das Eis uns unheimlich.
Letztlich sind wir natürlich (sagte ich grade natürlich? Woher kommt diese Selbstverständlichkeit? Schwimmsucht?) jedes Mal rein gegangen. Und oft war es wirklich so, dass nicht erst hinterher die Zufriedenheit da war, sondern auch schon während wir im Wasser waren. Man gewöhnt sich offensichtlich an einiges, wenn man will (will ich das echt? Ja!)
Es war also mühseliger als sonst, der Wind wehte dauernd irgendwas weg, hoch, hinterher rennen bevor es ins Wasser weht. Das fehlte noch, Handtücher oder die warme Wäsche im See. Zu allem Überfluss waren die Neoprensocken innen doch noch nicht richtig durchgetrocknet. Das würde mir zum Verhängnis werden....
Nette Menschen am Ufer
Während wir uns also umzogen, stand ein sehr netter Vater mit seiner knapp vierjährigen Tochter in der Nähe. Die Kleine war völlig fasziniert und der Mann sehr darauf bedacht, uns nicht zu stören. Einfach super sympathisch. Er sagte dann, dass er warten müsse, bis wir ins Wasser gehen, weil das Mädchen das unbedingt sehen wolle. Sie vermisse das Wasser im Schwimmbad so sehr. Die Pause des ersten Shutdown, dann kurz im Wasser und schon wieder vorbei. Für Kinder ist die Situation wirklich noch schwerer als für uns Erwachsene.
Oh, wie gut ich das Mädchen verstehen kann. Obwohl wir ins Freiwasser können, vermisse ich es, öfter schwimmen zu gehen. Bei kaltem Wasser ist es zu gefährlich allein und auch sonst, es ist ein weiter Weg zum See für mich. Deshalb klappt es meist nur einmal in der Woche.
Das kleine Mädchen wird bestimmt bald selbst richtig schwimmen und ich würde mich nicht wundern, wenn sie eine kleine Freiwasserschwimmerin wird. Ihr Vater ist auch einer.
Fröstelnd ins Wasser
Ich hatte kalte Füsse bevor ich im Wasser war und dieses Mal war es nicht nur das in den Neoprenanzug eindringende, eiskalte Wasser, dass mich frieren liess. Meine Atmung hatte ich zwar schnell im Griff, die Bewegungen aber nicht wirklich. Kopf oben, los, andere Richtung, zum Schilf. Ich hab mir nicht zugetraut, zweihundert Meter ohne ans Ufer zu können, zu schwimmen. Meine Begleitung legte schnell los, es sah so mühelos aus. Für mich war es das nicht. Ich wechselte zwischen Brust, Kopf oben, auf den Rücken, wieder zurück, drei Züge kraulen, Atmung ging,weiter, noch ein Stück, weiter, aber ich war zittrig. Füsse längst abgefallen, mir war klar, ich muss zurück. War das ein Aufwand. Nur mit kraulen ging es einigermaßen, aber durch das Zittern war alles extrem anstrengend und obwohl ich sehr nah am Ufer war, war mir klar, dass ich schon früher hätte umdrehen müssen.
Grenzerfahrung
Handschuhe im Wasser ausziehen bedeutet, dass die Hände brennen von der Kälte. Ich dachte zum ersten Mal, dass ich aus dem Anzug nicht allein raus komme. Es ging dann doch irgendwie. Meine Begleitung war noch bis zum Schilf geschwommen. Normalerweise wäre ich dann schon zumindest angezogen, aber ich hatte nicht mal den Anzug aus. Ich war so am zittern, dass ich nicht hätte sprechen können, Angst mir auf die Zunge zu beißen.
Nach gefühlt 40 Minuten war ich angezogen. Warm wurde mir nicht. Sonst hilft der Tee. Zu Hause half auch erst das wärmende Essen, selbst die heisse Dusche hatte mich noch nicht durchgewärmt.
Diese Grenzerfahrung zeigt mir, dass ich noch mehr darauf achten muss, was Wetter, Wind und vor allem eigenes Gefühl mir sagen. Ich war nicht in Lebensgefahr, meine Atmung war okay und auch wenn die Herzfrequenz hoch war, sie war noch handhabbar. Diese Erfahrung zeigt, wie wichtig es ist, nicht allein ins kalte Wasser zu gehen. Zumindest eine Person sollte Bescheid wissen, man muss eine Sicherheitsboje dabei haben. Ich musste mich still hinsetzen, auf mich fokussieren, um mich etwas zu beruhigen und dieses Mal war mir der Sinn der Pfeife, die ich um den Hals trage, klar wie nie.
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