Konkret in den Wahlprogrammen der großen demokratischen Politplayer für das Abgeordnetenhaus.
Was planen die demokratischen Parteien, die im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses sitzen, für die Stadt?
Ich fange mit der Opposition an. Es ist die Natur der Sache, dass Opposition natürlich von sich sagt, es besser zu können ohne das bewiesen zu haben. Deshalb erwarte ich deutliche Ideen, innovative, konkrete Ansätze.
Alle Parteien bekennen sich zum Schulschwimmen und räumen ihm hohe Priorität ein.
Ich habe immer wieder geschrieben und gesagt, dass Schulschwimmen für mich als gesetzt gilt.
Natürlich muss die Vergabe transparenter werden. Die Vergabe muss raus aus einzelnen Bezirken und koordiniert in einem (wie auch immer zu besetzenden) Gremium erfolgen. Es ist schon lange (und für noch sehr lange Zeit) vorbei, dass Kinder in dem Bezirk, in dem ihre Schule ist, ins nächst gelegene Schwimmbad können für den Schwimmunterricht. Längst schwimmen Kinder aus Kreuzberg in Mariendorf, Tempelhof oder Neukölln und umgekehrt. Es ist deshalb meiner Meinung nach eine völlige Umstrukturierung der Vergabe erforderlich.
Aber Schulschwimmen ist nicht Thema des Blog.
Mein Thema ist die Nutzung kommunaler Bäder für all diejenigen, die nicht im Verein schwimmen, baden, planschen, Aqua Fitness wollen. Also für rund 86 % der Menschen, die ihren Bäderbesuch individuell planen.
CDU
Im Programmpunkt "Sport" werden als erstes Olympische Spiele für 2036 erwähnt.
Unter der Überschrift "Berliner Bäder" steht exakt ein Satz.
Zitat: "Wir werden den Berliner Bädern Verlässlichkeit geben in Bezug auf Betrieb, Angebot und Öffnungszeiten. Die Versorgung mit Schwimmflächen in der Stadt ist unzureichend, daher werden wir vor allem die geplanten neuen Schwimmbäder zügig umsetzen." Zitat Ende
Unter der Überschrift nur der Satz, das ist bitter angesichts der Tatsache, dass der Landesbetrieb Berliner Bäder (BBB) eine riesige Summe an Zuschuss verschlingt, ohne in den Hallenbädern die Leistung zu bringen, die laut Satzung erbracht werden muss. Stichwort " Bei Hallenbädern wenigstens 50% der gesamten Wasserkapazitäten der Grundversorgung (der Öffentlichkeit) zur Verfügung stellen.
Info Box: Ein Hinweis hier besonders auf die Therapiebecken. In der Stadt gibt es zwei in kommunaler Hand (die öffentlich nutzbar sein sollten), Kombibad Seestraße und SSE in der Landsberger Allee. Ja, schlimm, dass es nur diese beiden sind. Und deshalb um so schlimmer, dass sie nicht mal ansatzweise zu 50% den Menschen mit Behinderung zur Verfügung stehen. Stand August 2021: nur das Therapiebecken in der Seestraße steht. im Schnitt 2 Stunden am Tag für den Zweck zur Verfügung, dass dort Menschen schwimmen für die es gebaut wurde.
Update: Stand 16.09.21: Man kann in der SSE bis heute kein Ticket für das Therapiebecken buchen einzeln
Spoiler: Alle Parteien betonen in ihren Wahlprogrammen, auch beim Thema Sport, die Inklusion. In den Bädern hat sich da die letzten 25 Jahre nicht genug getan. Hier mal ein Lift, wenn kaputt, dann auch mal wochenlang. Dort eine Sanierung, bei der die Barrierefreiheit vorgeschrieben ist, aber nicht mit den Menschen erarbeitet, die es betrifft. Und da dann noch ein Wasserrollstuhl, den alle nutzen sollen, egal, ob sie selbst einen haben oder gar nicht damit fahren können. Blinden Leitstreifen, Umkleiden, Duschen, Zugang, alles noch sehr ausbaufähig.
Da es unter der Überschrift "Berliner Bäder" im Programm der CDU nur den einen Satz gibt und einige allgemeinere im Rest des Programmpunkts "Sport", interpretiere ich die dazu gemachten Aussagen so, dass sie auch für Bäder gelten (sollen)
Die CDU möchte ein "Sportticket" und damit allen Berliner*innen Mitgliedschaft im Verein für 6 Monate ermöglichen.
Gut, es gibt Vereine, die über Kurse "Zeitmitgliedschaften" anbieten. Ansonsten kenne ich nur Schwimmvereine, bei denen man Jahresmitgliedschaften abschliessen muss. Wird die Aufnahmegebühr, durchaus mal 50 Euro, auch erlassen? Gibt es mit den Vereinen Gespräche, dass dann nur 6 Monate Mitgliedschaft ermöglicht wird?
Mein Gedanke: es geht in erster Linie darum, den Mitgliederschwund aufzufangen und die Vereine auch über diesen Weg zu subventionieren.
Info Box: Berliner und andere Schwimmvereine und Organisationen, die gemeinnützig sind, erhalten eine Sportförderung, bekommen kostenfreie Wasserfläche, dürfen gegen sehr geringes Entgelt auf Flächen auch andere Veranstaltungen als Schwimmen abhalten. Außerdem erheben sie natürlich Mitgliedsbeiträge und erhalten weitere Gelder für Schwimmkurse, die sie, u.a., im Auftrag des Senats, des Landessportbundes u.a. durchführen. In Berlin sind rund 29. 000 Menschen in Schwimmvereinen. Ihnen stehen zwei 50 Meter Bäder alleinig zur Verfügung, sechs weitere zum allergrößten Teil (zahlende Besucher*innen nur bis höchstens 2 Stunden morgens und Samstags). Demnächst wird ein weiteres dazu kommen. Ein Freibad dient nur dem Vereinssport. Außerdem haben Vereine in allen Bädern sehr viele Schwimmzeiten. Das führt dazu, dass eine Schwimmhalle als geöffnet geführt werden kann auf der Webseite des Betreibers und zahlende Besucher*innen nur eine von 10 Bahnen nutzen dürfen.
Ein wenig verrückt, aber Corona sei Dank kann man derzeit davon ausgehen, dass es dort zur Zeit nicht vollständig überfüllt sein darf. Ich habe erlebt, dass man keinen Meter schwimmen
konnte, weil es viel zu voll war. Halbe 25 Meter Bahnen und mit Querleinen versehene Schwimmflächen sind da nur eins der Übel.
Die CDU hat außerdem die Idee, den Vereinen mehr hauptamtliche Mitarbeiter*innen zu finanzieren. Für die Nutzung neu zu erschließender Sportstätten hat, Zitat "der organisierte Sport höchste Priorität" Zitat Ende
Sie möchte auch weitere Verwaltung von Sport durch "Lokale Sportmanager"(also männliche Personen, sonst stünde da Management, wenn das Gendern vermieden werden will)
Die Partei möchte den Sport "zur Chefsache" machen.
Klingt gut, aber ob das nun konkret ein Sport Ressort, ohne Anhängsel an ein anderes Ressort bedeutet, wie ich seit Jahren fordere, bliebe abzuwarten.
FDP
Nach ein paar Allgemeinplätzen geht es im Programm der Partei um Sportveranstaltungen, Hertha, Formel E und mehr. Kein gesonderter Punkt zur Bäderpolitik, zum Schwimmen für die Mehrheit der Berliner*innen und ihrer Gäste. Das ist traurig, denn Bäder sind nicht so zu handhaben wie andere Sportstätten. Nicht, weil ich Schwimmerin bin, sondern weil sich die Nutzung, Bau, Sanierung, Ersatz von Bädern u.v.m. erheblich von anderen Sportstätten unterscheidet.
Die FDP möchte ein "Online Portal" zur Nutzung von Sportanlagen (und Schulhöfen) auch "außerhalb von Schulzeiten".
Die Partei möchte "Sondergenehmigungen" für Vereine, um Außenflächen (Parks, Schulhöfe) zu nutzen. (konkret ausgeführt wird das nicht)
Die Linke
Diese Partei misst dem Individualsport- also der absoluten Mehrheit laut Sportstudie des Senats 2017- Bedeutung bei und möchte dem Ergebnis der Studie offensichtlich Rechnung tragen.
Zitat:"Dem Sport ohne feste Mitgliedschaft in einem Sportverein wollen wir stärkere Beachtung schenken" Zitat Ende
Sie will die "Bäder besser aufstellen unternehmerisch" und wollen die BBB in die Lage versetzen dem Auftrag, der Daseinsvorsorge, besser nachzukommen.
Es ist nicht explizit von Schwimmvereinen, nur von "Nutzung durch Sportvereine" die Rede, wenn die Linke eine "IT Unterstützung" zur gerechteren Verteilung und Transparenz der Nutzung von Sportstätten möchte. Ich gehe trotzdem davon aus, dass mit dieser Idee auch die Nutzung der Wasserfläche und die Vergabe transparent gestaltet werden soll.
Wenn im Programm der Partei steht, dass Sport und Wohnen nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, kann man dann hoffentlich davon ausgehen, dass auch Bäder gemeint sind. Bei Zuzug, Verdichtung von Wohngebieten, Neubau, muss auch immer berücksichtigt werden, dass ein Teil der Menschen (ich meine mich zu erinnern, dass man bei Erhebungen von 10% der Bevölkerung ausgeht) Bäder nutzen möchte und Menschen schwimmen lernen sollen.
SPD
Zitat:"Sport treiben darf weder an finanzieller Not scheitern noch daran, dass es nicht ausreichend Sportflächen gibt" Zitat Ende
Das Ressort Sport ist SPD geführt und es gibt, Stand August 2021, so wenig Möglichkeiten, die Schwimmbäder mit dem Berlin Pass zu nutzen wie noch nie seit Einführung des 2 Euro Tickets.
Während der Legislatur 2016-2021 wurde die Nutzungsmöglichkeit mit dem 'Sozialticket' eingeschränkt.
Info Box:
Das 2 Euro Ticket ist nur Montag bis Freitag, nur von 10- 14.30 Uhr zu erwerben und bis 15 Uhr nutzbar. Unmöglich, wenn ein Schwimmbad erst um 14 Uhr öffnet. Die Differenz zum nächsten Tarif, 3,50 Euro, ist enorm, wenn man wenig Geld hat und trotzdem gern mal schwimmen gehen möchte.
Für Freibäder galt dieses Ticket nie. Es gab sogenannte "Sommer Mehrfachkarten". Im Vorverkauf, 20 Eintritte, 60 Euro, sonst 70 Euro. Die man erst einmal vorstrecken musste, wozu auch nicht
jede*r in der Lage ist. Lösung kann nur sein, dass 2 Euro Ticket immer anzubieten, vor allem auch in Freibädern!
Für die Freibäder gab es keinerlei Ermäßigungen seit 2020. Begründet wird dieser Ausschluss von tausenden Menschen mit der Pandemie. Einheitspreis ist 3,80€, angeblich der Durchschnittspreis. In der Tabelle kann man sich das selbst ausrechnen
Die SPD betont in ihrem Programm besonders die Bedeutung des Vereinssports. Ihm sind viele Forderungen gewidmet. Dem organisierten Sport misst die Partei eine "hohe Bedeutung" bei.
Eine Gleichstellung des Individualsports ist nicht im Programm, obwohl die oben erwähnte Sportstudie ein deutliches Ergebnis hatte.
Zur Bäderpolitik sagt die Partei, Zitat:"Mit einem Bädervertrag bekennen wir uns zur auskömmmlichen Finanzierung der Berliner Bäder"
Konkret steht da nichts zur gerechteren Verteilung von Wasserfläche gemäß Ergebnis der Sportstudie (oder zumindest der Satzung) und der Tatsache, dass rund 29.000 Mitglieder in Schwimmvereinen Privilegien eingeräumt werden, von der die hunderttausenden Anwohnenden von einigen Bädern derzeit nur träumen können. Sie kommen, wie oben beschrieben, teilweise nur selten bis gar nicht in das Bad in ihrem Kiez.
Für die SPD steht allerdings, Zitat: "Der Berliner Sport steht als Gesundheitsanbieter an erster Stelle".
Das heißt hoffentlich, dass dem Wunsch der Berliner*innen, die zu langen Anfahrtswege (auch) zu Bädern, verkürzt werden und Bäder wieder für alle nutzbar werden.
Die SPD erwähnt eine Entstehung von "Wasserflächen" in Spandau (gemeint sein dürfte die Wasserball Arena für den Verein Spandau 04) und im "Osten" der Stadt (damit dürfte der Bau eines Kombibad in Marzahn Hellerdorf gemeint sein, wo ein Freibad völlig fehlt)
Die Partei hält an den horrend teuren (pro Bad weit über 40 Millionen Euro, Planung seit 2014) "Multifunkionsbädern" in Mariendorf und Pankow fest
Die Grünen
Die Partei stellt in ihrem Wahlprogramm zum Thema Sport in der Überschrift klar heraus, Zitat:"Institutionalisierten und frei organisierten Sport gleichstellen" Zitat Ende
Das heißt nichts anderes, als dass die Grünen die einzige Partei sind, die sich zum Ergebnis der o.g. Sportstudie bekennen und sich der Berliner Realität stellen.
Das wäre eine echte Hoffnung auf eine gerechtere Verteilung von Wasserfläche. Konkret finde ich dazu im Programm nichts. Es ist von ""transparenter Preisstruktur" die Rede. Die Grünen wollen "Öffnungszeiten verlängern", um dem Schwimmunterricht zu erweitern.
Die Partei möchte "allen Berliner*innen die Nutzung der Schwimmbäder ermöglichen".
Im Wahlprogramm bekennen sich Die Grünen deutlich zum Ehrenamt und Vereinssport.
Die Grünen geben als Ideen an, mit Hotel (pools), Fitnessstudios, Kooperationsbeträge zu schliessen, um schwimmen lernen noch weiter auszubauen.
Fazit
Eine Partei bekennt sich klar dazu, dass du und ich die gleichen Rechte auf Zugang zu Bädern bekommen. Ein Bekenntnis dazu, dass (z.B.) meine Freund*innen und ich dem Schwimmsport individuell, auch um die Ecke und am Sonntag Abend, nachgehen können. Die Gruppe Rentner*innen soll ebenfalls zum baden ins Kiezbad dürfen wie es die Rentner*innen dürfen, die im Schwimmverein organisiert sind.
Eine zweite Partei möchte zumindest der absoluten Mehrheit der Sport treibenden eine höhere Bedeutung zumessen.
Ja, ich bin schon auch traurig, dass so wenig konkret zu Bädern für alle in den Wahlprogrammen steht. Ich bin versucht, den Sportausschuss im Abgeordnetenhaus in "Sportvereinspolitik Ausschuss" in Gedanken zu benennen.
Um nicht zu resignieren, interpretiere ich bei allgemeinen Aussagen zu Sport, also Worte wie "Nutzbarkeit" "Transparenz" "Daseinsvorsorge" etc., dass auch der individuelle Schwimmsport gemeint ist- oder soll ich Schwimmkunst sagen, wenn das Schwimmen außerhalb Vereinen kein Sport ist.
Mir ist klar, dass es dringendere Themen gibt, Wohnen, Verkehrswende, dennoch hätte ich mir mehr konkretes gewünscht. Mal sehen, ob es weitere Informationen, wie das Bäderkonzept aufgelöst werden wird und wenigstens Veranstaltungen zum Thema Bäderpolitik gibt im Wahlkampf.
Wenn ich es schaffe, schaue ich mir in den 12 Bezirken an, welche Kandidat*innen die Bäder im Blick haben.
Neuester Beitrag: Back to the pools- Saison Fazit Sommerbad Mariendorf
Rad fahren in Berlin
Immer lande ich an Kleingartenanlagen